Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 44. (1996)

HEILINGSETZER, Georg: Die österreichische Diplomatie im Jahre 1806. Die Grafen Stadion, Starhemberg und Metternich in ihrer Stellung zum Ende des Alten Reiches

Die österreichische Diplomatie im Jahre 1806 Viele große Familien des österreichischen und böhmischen Hochadels hatten eine besondere Beziehung zum Reich, gehörten sie doch zum Teil schon seit dem 17. Jahrhundert dem Reichsfiirstenrat an, wie die Dietrichstein, Lobkowitz, Auersperg, Schwarzenberg und Liechtenstein. Zahlreiche andere waren als Reichsfürsten sogenannte Personalisten, oder waren Mitglieder eines der Reichsgrafenkollegien. Noch nach dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803 hatte die österreichische Politik versucht, einigen dieser Familien, darunter auch den Metternich, Virilstimmen zu verschaffen4. Darüber hinaus stammten viele ursprünglich aus dem Reich, wie die genann­ten Metternich aus dem Rheinland, oder die Stadion aus Schwaben, die zunächst im Umkreis geistlicher Kurfürsten zu finden waren und erst später in die Dienste Österreichs getreten sind und Eingang in die Aristokratie der Habsburgermonar­chie gefunden haben. Aus diesen Kreisen rekrutierte sich auch ein großer Teil der österreichischen Diplomaten. An ihrer Spitze stand der „Minister der aus­wärtigen Geschäfte“, dem die Beamten der Hof- und Staatskanzlei zur Verfü­gung standen. Diese wurden nur für die Arbeiten im Hause verwendet und mußten die Korrespondenz mit den auswärtigen Diplomaten führen5. Bei ihnen handelte es sich ihrer Herkunft nach um Bürgerliche oder kleine Adelige, die für einen Gesandtenposten im allgemeinen nicht verwendet wurden. Traditionsge­mäß waren diese Ämter den großen Familien Vorbehalten, denn eine solche Stellung beinhaltete nicht nur die Verpflichtung zu repräsentieren, sondern auch die Notwendigkeit mitunter aus eigenen Mitteln etwas zuzuschießen. Es ist allerdings erstaunlich, daß es nicht sehr viele gut ausgebildete Diplomaten gab, denen man einen selbständigen Gesandten- oder Botschafterposten anver­trauen konnte. So mußte gelegentlich auf Angehörige des Militärstandes zu­rückgegriffen werden, wie etwa die Generäle Vincent, der vor Metternich in besonderer Mission in Paris weilte, Merveldt, der nach St. Petersburg ging oder Fürst Karl Schwarzenberg, der spätere Oberkommandierende in der Leipziger Völkerschlacht, der der Nachfolger Metternichs auf dem Pariser Posten wurde. Zur Zeit der Amtstätigkeit des Grafen Ludwig Cobenzl als Außenminister wurde zunächst in Wien eine Appeasementpolitik gegenüber Napoleon vertre­ten. In diese Epoche fällt auch die Proklamierung des Kaisertums Österreich (1804), die Friedrich von Gentz zu äußerst negativen Kommentaren veranlaßt 4 Vgl. die Liste von 1792 bei Zeumer, Karl: Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit. Tübingen 1913, S. 552 f.; Gollwitzer, Heinz: Die Standesherren. Die politische und gesellschaftliche Stellung der Mediatisierten 1815-1918. Wien 1957, bes. S. 17 f., S. 36 f.; siehe auch Winter, Otto Friedrich: Österreichische Pläne zur Neufor­mierung des Reichstages 1801-1806. In: Mitteilungendes Österreichischen Staatsarchivs 15 (1962), S. 261-335 und Klein, Thomas: Die Erhebungen in den weltlichen Reichsfurstenstand 1550-1806. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 122 (1986), S. 137-192. Der letztgenannte Autor knüpft an Johann Jakob Moser an und sieht die Entwicklung äußerst negativ, wenn er von „Degeneration“ der Fürstenwürde spricht. 5 Zur Organisation der Staatskanzlei auch vor 1809 vgl. Mayr, Josef Karl: Geschichte der österrei­chischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich. Wien 1935, bes. S. 14 f. 125

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