Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 43. (1993) - Festschrift für Rudolf Neck zum 65. Geburtstag

TEPPERBERG, Christoph: Rechtsnormen zum „Verbrechen der Desertion“ in der k. k. Armee, vornehmlich für die Zeit des Vormärz

formen und Gesetzen. Zwar hatte in den k.k. Regimentern schon zur Zeit Maria Theresias nicht der unmenschliche Drill geherrscht wie in der preußischen Armee, und wurden die Leute auch nicht in dem Maße zum Militärdienst gepreßt, wie in den Heeren Friedrichs des Großen15). Nach Ende der Napoleonischen Kriege hatten sich auch die Vorstel­lungen der Militärstellen über den bis dahin gebotenen „blinden Ge­horsam“ geändert16). Doch herrschten auch in der k.k. Armee des Vormärz immer noch Verhältnisse, die vielen Soldaten hinreichende Mo­tivation zur Fahnenflucht boten: Der Mann erhielt manchmal seine Löhnung, das Brot und seine Monturstücke nicht richtig, wurde durch vieles und allzugenaues Exerzieren überdrüssig, von aufsässigen Kor­poralen diszipliniert, durch ungute Kameraden gedemütigt. Oder die Kompanie des Mannes wurde an ungesunde Orte verlegt, wo er seine Kameraden dahinsiechen sah. Obwohl den Offizieren seit Einführung des Ökonomiesystems von 1767 das Einbehalten von Mann­schaftslöhnung nicht mehr so leicht möglich und bei Todesstrafe ver­boten war, setzten doch die Dienstreglements einen „zeitlichen Mangel an Brot, Löhnung oder Montur“ als selbstverständlich voraus17), und hatten die Brigadiere und Kriegskommissäre die Korrektheit des Löh­nungsempfanges in den Musterungsrelationen eigens festzuhalten18). Ähnliches galt auch für das Verfassen der Präsentierungslisten wieder- eingerückter Deserteure19). Besonders schlecht waren die Löhnungs­zahlungen an die Mannschaft während der durch die Napoleonischen Kriege hervorgerufenen Inflation, da man gerade beim Militär an die Mannschaft verstärkt die schlechten Banco-Zettel ausgab20). In den un­garischen Regimentern betrug die effektive Dienstzeit der Soldaten trotz lebenslanger Dienstpflicht im Durchschnitt nur 12 bis 14 Jahre. Denn nach Ablauf dieser Zeitspanne waren die Leute durch die Strapazen des Militärberufes verbraucht und wurden in der Regel, um dem Ärar nicht weiter zur Last zu fallen, als „halb- oder realinvalid“ mit Abschied ent­Rechtsnormen zum „Verbrechen der Desertion“ in der k.k. Armee 15) Vgl. Hanns Eggert Willibald von der Lühe, Militair-Conversations-Lexikon 2 (Leipzig 1833) 452; und Kriegskatechismus 1, 19. 16) Kriegskatechismus 1, 19; Müller, Armee 1, 440. 17) Infanterie-Dienstreglement (1769) 9; Infanterie-Dienstreglement 1 (1807) 2; Militärökonomiesystem vom 25. September 1767 (KA, Hofkriegsrätliches Kanzleiarchiv 111-15); Gesetzbuch (1784) 260. 18) Vgl. die Musterungsrelationen im KA, Kriegswissenschaftliche Mémoires 18, 585-610. 19) Nahlik Desertion 71 ff u. 143 f. 20) 18 Vgl. Josef Karl Mayer Wien im Zeitalter Napoleons. Staatsfinanzen, Lebens­verhältnisse, Beamte und Militär (= Abhandlungen zur Geschichte und Quellenkunde der Stadt Wien 6, Wien 1940) 222 f. 97

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