Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 43. (1993) - Festschrift für Rudolf Neck zum 65. Geburtstag

GÖBL, Michael: Vom Judenplatz zur Wallnerstraße. Über die Anfänge des Allgemeinen Verwaltungsarchivs

bisher geführten Namen auf Staatsarchiv des Innern und der Justiz ab.22) In einem weiteren Schritt veranlaßte Kretschmayr nun eine Auf­forderung an alle übrigen Zentralstellen, bei denen noch keine Archive oder archivähnliche Einrichtungen bestanden, ihre Altregistraturen - zumindest bis 1848 bzw. 1870 - in die Verwaltung des Archivs des Innern und der Justiz zu übergeben. Als Begründung führte er wissenschaft­liche, verwaltungstechnische und staatsfinanzielle Gesichtspunkte an, da im Wege dieses Verfahrens aus den „gewaltigen Zentralarchiven des untergegangenen Großreiches“ schließlich vier oder drei Facharchive (Äußeres, Krieg und Inneres, oder Äußeres, Krieg, Inneres und Fi­nanzen) übrig bleiben sollten. Die Aufforderung richtete sich an die Staatsämter für Land- und Forstwirtschaft, für Handel, Gewerbe, Indu­strie und Bauten, für Soziale Verwaltung, für Volksernährung, den Ver- fassungs-, Verwaltungs-, Patent und Obersten Gerichtshof, und die Sta­tistische Zentralkommission.23) Ähnliche Bestrebungen verfolgte auch der Leiter des am 7. Okt. 1920 geschaffenen Archivamts, Bundeskanzler Michael Mayr, der in seinem Schreiben vom 7. April 1921 über die Festlegung des Wirkungsbereiches der staatlichen Zentralarchive „die Unfertigkeit und Bückständigkeit der Organisation unseres Archivwesens“ beklagte. Da nahezu jede Zentral­stelle ihr eigenes Archiv besitze, oder zu errichten trachte, könne eine „sachgemäße und planvolle Zusammenfassung“ der archivreifen Akten­bestände nicht durchgeführt werden. Auf dem Weg zu einer ein­heitlichen Organisation des staatlichen Archivwesens wäre das Ausland schon viel weiter fortgeschritten, namentlich die Staatsarchive in Buda­pest, München, Dresden, Berlin, Italien, Frankreich, Spanien und Eng­land. Sein Vorschlag auf Zentralisation der Archive beruhe auf der hi­storischen Entwicklung der Zentralverwaltung, für die von Beginn an vier Hofstellen, der Reichshofrat, der Hofkriegsrat, die Hofkanzlei und die Hofkammer vorgesehen waren.24) Schon bald zeichnete sich ein Erfolg des von Kretschmayr erlassenen Aufrufs an die in Frage kommenden aktenproduzierenden Stellen ab. Grundsätzlich erklärten sich alle bereit sowohl die älteren Aktenbe­stände abzutreten als auch die in Zukunft erwachsenden Bestände dem Staatsarchiv des Inneren und der Justiz übergeben zu wollen. Die vom Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof bzw. vom Handelsministerium Vom Judenplatz zur Wallnerstrafle. Die Anfänge des Allgemeinen Verwaltungsarchivs 22) AVA, Adelsarchiv, Archivakten, Zl.27.544/1921, u. 135.178/1921. 23) AVA, Adelsarchiv, Archivakten, ZI. 28.121/1921. 24) AVA, Adelsarchiv, Archivakten, ZI. 124.559/1921. 27

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