Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)
ERNST, Hildegard: Geheimschriften im diplomatischen Briefwechsel zwischen Wien, Madrid und Brüssel 1635–1642
Geheimschriften im diplomatischen Briefwechsel gebenen Generallinie zu fällen. Nach dem Tode des Rardinalinfanten am 9. November 1641 übernahm Don Francisco de Melho (in spanischer Schreibung Melo oder Mello) diese Funktion. Für die Korrespondenz zwischen der Reichskanzlei und dem Brüsseler Hof in den Jahren 1639 bis 1642 wurde Code D (vgl. S. 127)11) benutzt. Der Kaiser bediente sich des Lateinischen; in Brüssel schrieb man Latein oder Spanisch. Im Vergleich zu den Chiffren A, B und C stellt Code D eine Mischform zwischen A/B und C dar: Wie A/B weist er Zahlen und Buchstaben als Geheimelemente auf; wie C hat er auf der Klartextseite zweistellige Silben und verzichtet auf einen Nomenklator. Im Gegensatz zu A/B werden bei Code D keine Großbuchstaben als Geheimzeichen verwendet; im Unterschied zu C sind die Klartextsilben bei Code D ausschließlich offen und werden nicht nur durch Zahlen, sondern auch durch Silben dargestellt, wobei der Vokal der Geheimsilbe immer mit dem der Klartextsilbe übereinstimmt. Da Code D, wie auch B und C, rekonstruiert ist, besteht die Möglichkeit, daß die hier wiedergegebene Übersicht unvollständig ist: In der Zahlenreihe der Dechiffrierliste fehlen 1, 14, 27, 28 und das Klartextalphabet ist ungleichgewichtig mit Geheimelementen belegt. Diese Lücken können dadurch verursacht worden sein, daß die Chiffreure der ausgewerteten Kryptogramme einige Zeichen des Schlüssels nicht verwendet haben. Es ist aber auch möglich, daß die Unregelmäßigkeit beabsichtigt ist. Code D ist, da „k“ und „w“ im Klartextalphabet nicht Vorkommen, für die deutsche Sprache ungeeignet, es sei denn, die beiden Buchstaben sind z. ß. mit den fehlenden Zahlen belegt und erscheinen in den hier wiedergegebenen Listen nur deshalb nicht, weil der Rekonstruktion nur lateinische und spanische Kryptogramme zugrundeliegen. Die Rekonstruktion von Chiffren Die Rekonstruktion einer Chiffre anhand von entzifferten Textabschnitten, die dem verschlüsselten Schreiben beiliegen oder auf dem Briefrand notiert sind, ist in Bezug auf Schwierigkeit und Zeitaufwand natürlich nicht mit dem „Knacken“ eines Codes zu vergleichen. Trotzdem ist viel Geduld und Zeit erforderlich, bis man eine Chiffre soweit erstellt hat, daß sie für das Erschließen von nichtentzifferten Texten brauchbar ist. Beim Rekonstruktionsvorgang erkennt man gut 11) Die verschlüsselten Stücke befinden sich im HHStA, Staatenabt., Spanien, Varia, Fasz. 10, und Belgische Korrespondenz, Schachtel 19 und 20. 109