Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)

HEPPNER, Harald: Serbien im Jahre 1889 nach einem Bericht Ludwig von Thallóczy's

Harald Heppner stimmend handelt. Während der Reichsfinanzminister174) in Belgrad und Neusatz wirklich gelobt wird, ist Pest nur der Anstoss für Schmä­hungen. Während man auf ganz überflüssige Spionagen Tausende ausgiebt, exi- stirt nicht ein Ungarn-freundliches Organ. In Pest ist man erhaben über derlei Dinge. 5-6 Blätter schimpfen täglich frisch auf alles Reichs­freundliche los, und dafür ist kein einziges. Bei all’ dem Vordringen des in der Bácska sehr kräftigen ungarischen Elementes wollen 200 durch Phylloxera175) zu Grunde gegangene ungarische Familien auswandern, in erster Reihe [!] nach Syrmien. Noch schlimmer steht es mit der kirchlichen Frage. Es steht mir nicht zu, über das Verfahren des ungarischen Cultusministeriums ein Urtheil abzugeben, so viel steht fest, dass man ein Kirchencongresstatut176) besitzt, welches zwar, wie es die Gemässigten selbst einsehen, in vielen Stücken schlecht, aber von Seiner Majestät sanctionirt ist. Dieses laut Gesetz stehende Statut wird nicht eingehalten. Darob nun Unfrieden von Seiten der Geistlichen, deren ultramontane Partei sich in Karlovicz mit den Radikalen verband, und der Weltlichen. Man hat keinen Ortho­doxen im Cultusministerium (ein Lutheraner referirt die Angelegen­heiten), das sind die kleinern Beschwerden. Das eine steht fest: in Pest scheint man die Verhältnisse nicht zu kennen. Der jetzige Administrator in Karlovitz, welcher nach der Würde strebt, Seiner Hochwürden Basi- lian Petrovits, ist ein Dorfpope ohne genügenden „gesunden“ Verstände geschweige denn Bildung. Den von vielen Seiten empfohlenen und an­gefeindeten Brankovics177) aus Temesvár habe ich nicht die Ehre zu kennen, wie denn die Combination mit dem Ofner Bischof Stojkovic178) kaum in Rede kommen kann. Ich erlaube mir Euer Exzellenz hohe Aufmerksamkeit auf diese Frage zu lenken und nochmals zu betonen, dass der jetzige Administrator nicht der Mann für einen Metropoliten ist. Euer Exzellenz hatten die Gnade, die Frage am 20. VI. an mich zu 174) Benjamin Kállay von Nagykállo (1839-1903), 1882-1903 Gemeinsamer Finanz­minister Österreich-Ungarns. 175) Reblausschäden an den Weinkulturen. 176) Es handelt sich dabei um die Verordnung vom 10. August 1868, siehe -Boko Slijepcevic Istorija srpske pravoslavne crkve (Geschichte der serbisch-orthodoxen Kir­che) 2 (München 1966) 199 sowie Emanuel Turczynski Orthodoxe und Unierte (Die Habsburgermonarchie 1848-1918 4 Wien 1985) 431. 177) Georg Brankovic, orthodoxer Bischof von Temesvár. 178) Arsenije Stojkovic, orthodoxer Bischof von Ofen/Buda, Mitglied des Nationalkir­chenkongresses der serbischen Kirchenprovinz. 192

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