Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)
HEPPNER, Harald: Serbien im Jahre 1889 nach einem Bericht Ludwig von Thallóczy's
Serbien im Jahre 1889 russischen Diplomatie zu bezeichnen. Er hielt sich auch sehr geschickt, dankte sehr freundlich und führte seine Instrukzion praecise aus. Bei dieser Gelegenheit sah man deutlich, wie Risztics abgieng. Das Ministerium war unbeholfen, jeder Minister sagte etwas anderes; Man gab an, dass Tags darauf auch die übrigen Gesandten ankommen werden151); die Regenten und der Hof empfingen Herrn Persiani mit großer Zuvorkommenheit. Wie bei leicht erregbaren Naturen war am 1. Juli, und am 2. [Juli] auch noch, die Stimmung russophil. Man fühlte sich sehr geehrt, vergass den Czarentoast und sah nun wieder Russlands mächtigen Schutz aufleben. Wenn das der Zweck Persiani’s war, wie die Minister angaben, - den hat er erreicht, so wie auch, dass nur der Tauf- pathe152) des Königs Alexander die vollste Sympathie genießt. Aus zwei anderen Gründen war aber diese Mission für uns153) nicht glücklich. Im Kreise Csacsak und Uzice, an der Westgränze, war russischer Einfluss nicht geltend [gewesen]; jetzt kam das Idol des Czaren ihnen näher und der russische Nymbus leuchtete heller. Zweitens, es schwirren Gerüchte von einer Militärconvention154); russische Lockstimmen sprechen von Übernahme der Staatsschuld und dergleichen Ungeheuerlichkeiten, alles das wird glaubwürdig: „Wir möchten Alles gerne haben, wenn man nur trauen könnte, wir sind heute Russen“, sagte mir ein bedeutenderer Politiker. Paralyzirt [!] wurde Persiani durch Niemanden, er war der Hahn im Korbe. Besser war es ohne Zweifel, dass Herr von Hegelmüller nicht allein kam, denn er wäre sehr in den Hintergrund getreten. Von der Militärconvention hörte ich am 4. und 5. Juli in Csacsak von Offizieren, und diese Nachricht wurzelt in den Gemüthern, die es gerne haben würden. Erhöht wurde die Bedeutung [von] Persiani’s Mission, dass er bei der Salbung so zu sagen Vaterstelle beim jungen König vertrat. Er half ihm auf den Stuhl hinauf und stand an seiner Seite in voller Unifrom. Nur der eine Umstand kam uns zu Gute, dass Herr Persiani sich neben dem blühenden kleinen König ausnahm wie in romanischen Kirchen die Affen neben den Engelchen. 151) Der österreichische Vertreter in Belgrad erfuhr davon am 26. Juni und erhielt postwendend den Auftrag, an der Salbungsfeier auch teilzunehmen, wenn es gelingen würde, auch die deutschen, englischen und italienischen Vertreter dafür zu gewinnen. Aus termineilen Gründen gelang dies aber nicht mehr, sodaß das Wiener Außenministerium am 1. Juli dem k. u. k. Gesandten die Weisung erteilte, doch nicht hinzufahren, aber ein Glückwunschtelegramm abzusenden (HHStA PA XIX K 71 Liasse VI). 152) Zar Alexander 111. von Rußland (1845-1894). 155) = Österreich-Ungarn. 154) Es ging das Gerücht über eine Militärconvention Rußlands mit Serbien gegen Österreich-Ungarn um, siehe Kálnoky an Hengelmüller 27. Juni 1889 (HHStA PA XIX R 24). 187