Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)

HEPPNER, Harald: Serbien im Jahre 1889 nach einem Bericht Ludwig von Thallóczy's

Harald Heppner tät der bosnischen Gerichte gerne an, Herr Michael Dimitrijevic vom „Branik“86) lobte sogar sehr vieles, aber sie wollen Bosnien den „Schwaben“ (obzwar sie selbst als solche gelten) nicht gönnen. Jetzt will die serbische Begierung endlich eine consequente Agitation für Bosnien und Makedonien organisiren. Das Ministerium des Äußern in Belgrad gedenkt ein Bureau zu errichten, welches sich speziell mit den „fremden Brüdern“87) beschäftigen soll. Prof. Kovacevic88), ein krummbeiniger Gelehrter, der in Altserbien Lieder sammelte, soll in Makedonien agitiren; Bosnien, Dalmazien soll Ghiaja energischer in die Hand nehmen, als es bis jetzt geschah. Der heilige Sava-Verein soll hiebei neu oranisirt werden. Das Interessanteste bei all’ diesen Regungen ist, dass man in Serbien in erster Reihe [!] auf das Stammesgefühl der Bosniaken baut. Man glaubt, das Wunder mit der Erstürmung Jericho’s wird sich wiederholen. Die Katholiken werden in Belgrad als noch zu gewinnende betrachtet, aber für die Serben steht jeder gut, und davon ist man ebenfalls überzeugt, dass die Moham[m]edaner sich als Serben fühlen. In Bosnien selbst aber war keiner von den Hetzern; an dieser Stimmung halten aber dennoch alle fest. Nun, entweder muss sich die Regierung Bosniens täuschen oder leben die Serben in einem Traum. Ich muss das letztere anneh­men, denn alle geben zu, dass über die Drina beinahe gar kein Verkehr stattfindet. Es leben in Serbien reiche, fleissige bosnisch-orthodoxe Handelsleute, welche sich zwar für alles, was ihre Heimath betrifft, sehr interessiren, aber arbeiten und auffallenderweise nicht so feurige Agita­toren sind, wie man es in Belgrad wünschte. Deutsche Kaufleute sagten mir, dass sie mit Bosniaken viel lieber verkehren als mit belgrader Handelsleuten. Es wäre falsch, dies als Regel hinzustellen, aber be­zeichnend ist’s doch. Im Betreff der bosnischen Mohám[m]edaner ist Serbiens Gewährsmann, der in Belgrad lebende und monatlich mit 120 frc. besoldete Beg Ljubovic, der bei uns schon längstens bekannt ist. Er stolzirt mit Revolver und Handzar89) herum, ist ein rauher, aber einfälti­ger und guter Geselle. Für Krusevac bekam er 200 frc. Reisepauschale, um als Schaustück zu gelten. Diese Mission vollbrachte er glücklich, trank Wein, documentirte laut sein Serbenthum, liess alle Schwaben 86) Zeitung der serbischen Nationailiberalen in Ungarn, erschien in Neusatz. 87) Serben in Ungarn, Kroatien, Dalmatien, Bosnien, Hercegovina und Makedonien. 88) Ljubomir Kovacevic (1848-1918), Historiker, Hochschulprofessor, gemeinsam mit Ilarion Ruvarac Vorkämpfer zur Entromantisierung der serbischen Geschichts­schreibung. 89) Zweischneidiger türkischer Krummdolch. 176

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