Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)

Historische Friedensforschung 389 Mittelalter zurück führt die Problematik der Türkenabwehr, wobei die an Vives hervorgehobene „Überwindung des traditionellen Dualismus von Chri­sten und Nichtchristen im Hinblick auf die Friedensfrage“ ein weiteres Bei­spiel der an ihm bemerkten „starke(n) mittelalterliche(n) Traditionen der gewaltlosen Glaubensverbreitung und eines ethischen Universalismus“12) dar­stellt. Ganz ähnlich haben schon Dekretisten wie Uguccio von Pisa oder Dichter wie Wolfram von Eschenbach argumentiert13). Daß in der theoreti­schen Erörterung der Problematik von Krieg und Frieden eine ununterbroche­ne Tradition von der Scholastik bis zu den Anfängen des Völkerrechts führt, haben Theologen wie Völkerrechtler wiederholt unterstrichen14). Lutz hat seine Übersicht dreigeteilt: Im ersten Teil behandelt er christliche Friedensideen vor der Glaubensspaltung, hauptsächlich am Beispiel des Eras­mus, gefolgt von Ausführungen über die Friedensproblematik im konfessio­nellen Zeitalter15) und im Zeitalter des beginnenden Völkerrechts, das zu einer Ent-Ethisierung und Hegung des Krieges führte16). Daß hier viele Traditions­stränge alle drei Perioden durchlaufen, wird neben dem Fortwirken der bellum-iustum-Lehre auch an Einzelaspekten wie der Idee der Schiedsge­richtsbarkeit oder der Diskussion des Zusammenhangs zwischen äußerem und innerem Frieden deutlich17). Die Glaubensspaltung gab nicht nur der pazifisti­schen Auslegung des Christentums eine neue Chance18), sie förderte durch die Aussichtslosigkeit des Glaubenskampfes auch die Einsicht in die Notwendig­keit von Toleranz und Kompromiß, was nicht unwesentlich zur Säkularisie­rung des Friedensgedankens beitrug. In diesem Zusammenhang könnte man in Deutschland auf Lazarus von Schwendi, in Frankreich auf den Kanzler l’Höpi- tal verweisen19). Die dabei eine gewisse Rolle spielende Idee von den bella ex 12) Lutz Friedensideen 37 f. 13) Vgl. Emst-Dieter Hehl Kirche und Krieg im 12. Jahrhundert (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 19, Stuttgart 1980) 236 ff und Auer Kirche und Krieg 187 Anm. 42. 14) Vgl. etwa Robert Regout La doctrine de la guerre juste de Saint Augustin ä nos jours d’aprés les théologiens et les canonistes catholiques (Paris 1934, Nachdr. Aalen 1974); Alfred Verdross Die christliche Kriegsdoktrin im Wandel der Geschichte in Speculum juris et ecclesiarum (Festschrift für Willibald Plöchl), hg. von Hans Lentze und Inge Gampl (Wien 1967) 413 ff; Otto Kimminich Der gerechte Krieg im Spiegel des Völkerrechts in Der gerechte Krieg: Christentum, Islam, Marxismus (Friedensanalysen 12, Frankfurt 1980) 207 ff. 15) Lutz Friedensideen 41 ff. '*) Ebenda 47 f Anm. 32 nach Carl Schmitt Der Nomos der Erde im Völkerrecht des jus publicum Europäum (Köln 1950). 17) Z. B. bei Sebastian Franck, William Penn oder Jean Jacques Rousseau; vgl. Lutz Friedensideen 42 und 52 ff. ls) Vgl. Lutz ebenda sowie die von ihm nicht erwähnte Studie von Clarence Bauman Gewaltlosigkeit im Täufertum (Studies in the history of Christian thought 3, Leiden 1968). Einen vielfach vergessenen spätmittelalterlichen Vertreter des christlichen Pazi­fismus behandelte erst kürzlich Murray L. Wagner Petr Chelcickfj. A Radical Separatist in Hussite Bohemia (Studies in Anabaptist and Mennonite History 25, Scottdale, Penn. 1983); vgl. die Besprechung in HZ 239 (1984) 679. 19) Vgl. Wolf-Dieter Mohrmann Bemerkungen zur Staatsauffassung Lazarus’ von

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