Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)

PETRITSCH, Ernst Dieter: Der habsburgisch-osmanische Friedensvertrag des Jahres 1547

56 Emst Dieter Petritsch Wollte Süleymän keinen Zweifrontenkrieg riskieren, so mußte er ernsthaft an einem Waffenstillstand in Ungarn interessiert sein. Damit befand er sich rechtlich aber in einer heiklen Situation, denn nach islamischem Recht stand die muslimische Welt („där al-isläm“ = „Haus des Islam“) strenggenommen in permanentem Kampf mit den nichtmuslimischen Staaten („där al-harb“ = „Haus des Krieges“). Ein Frieden oder Waffenstillstand konnte nur provisori­schen, jedenfalls keinen dauerhaften Charakter besitzen. Friede im engeren Sinn - ausgenommen die Unterwerfung unter den Machtbereich des Islam - war scheriatsrechtlich31) nicht vorgesehen. In der Praxis ergab sich jedoch für einen islamischen Staat öfters die Notwendigkeit, Friedensverträge mit christ­lichen Staaten einzugehen32). Solche Verträge wurden, wie dies bereits der Prophet Muhammad gehandhabt hatte, stets zeitlich limitiert. Der Frieden von 1547 wurde mit fünf Jahren, alle anderen im Verlauf des 16. Jahrhunderts mit den Habsburgern vereinbarten Abkommen wurden mit acht Jahren begrenzt; die Verträge des 17. Jahrhunderts einschließlich jenes von Zsitvatorok sahen eine Dauer von zwanzig Jahren vor33). Außerdem betonten zahlreiche Rechts­gutachten („Fetva“) in Anlehnung an den Koran und an die mündliche Über­lieferung („Hadit“), daß Verträge mit den „Ungläubigen“ abgeschlossen wer­den dürften, wenn sie von Vorteil und Nutzen für die muslimische Welt sind, — dies bedeutet umgekehrt, daß Verträge gebrochen werden können, wenn sie sich als nicht mehr nützlich erweisen sollten. Im vorliegenden Friedensvertrag wird der nun erreichte Zustand „emn u emän“ bezeichnet; in der in Kapitel V folgenden Übersetzung mit „Waffenruhe und Sicherheit“ wiedergegeben, be­deutet dies wörtlich übersetzt „Sicherheit und Schutz“. Das ausdrucksstärkere Begriffspaar „sulh u saläh“ („Frieden und Eintracht“) wird dagegen im Ver­tragstext vermieden, ausgenommen am Beginn der Urkunde, wo festgestellt wird, daß Ferdinand um „Frieden und Eintracht“ sowie „Freundschaft“ gebe­ten habe. Von gewisser Pikanterie ist sicher der Aspekt, daß die Osmanen auf Grund des Friedensschlusses mit den Habsburgem nun ungehindert den Feld­zug gegen einen anderen - wenngleich als häretisch angesehenen — muslimi­schen Staat eröffneten. Da scheriatsrechtlich ein Krieg gegen Muslime gar 31) Sari(a (arab. „der zu befolgende Weg“): das kanonische Gesetz des Islam. Vgl. Handwörterbuch des Islam (Leiden 1976) 673-678: Artikel „Sharf(a“. 32) Majid Khadduri War and Peace in the Law of Islam (Baltimore 1955) 202-222, 271 ff; diese einschlägige Untersuchung wird in der Arbeit von Hans Joachim Kissling Rechtsproblematiken in den christlich-muslimischen Beziehungen, vorab im Zeitalter der Türkenkriege (Kleine Arbeitsreihe des Instituts für Europäische und Vergleichende Rechtsgeschichte an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz 7, 1974) leider nicht verwertet. 33) Der 1699 bei Karlowitz vereinbarte Frieden wurde mit 25 Jahren, jener von Passarowitz (1718) mit 24 und von Belgrad (1739) mit 27 Jahren befristet. 1747 wurde der Friede „verewigt“; spätestens zu diesem Zeitpunkt war das Osmanische Reich zu einem rein „europäisch“ handelnden Staatswesen geworden. — Heinz Duchhardt Das Tunis- untemehmen Karls V. 1535 in MÖStA 37 (1984) 35—72 nennt leider kein einziges konkretes Beispiel für seine S. 69 aufgestellte Behauptung, im 15. Jahrhundert seien christlich-muslimische Verträge meist mit zehn Jahren befristet worden.

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