Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)
MARZAHL, Peter – RABE, Horst – STRATENWERTH, Heide – THOMAS, Christiane: Stückverzeichnis zum Bestand Belgien PA des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien
522 Literaturberichte gestoßen ist. Dabei kann daran, daß etliche „Bausteine“ dieser Strukturanalyse in wissenschaftliches Neuland vorstoßen bzw. außerordentlich interessante Fragen thematisieren, gar kein Zweifel bestehen: Das gilt insbesondere für die profunde, zugleich differenzierende wie typisierende Einführung des derzeit wohl besten deutschen Sachkenners, Volker Press, über Adel im Reich um 1600 (S. 15—47), für eine Zeit also, die z. B. noch von einer weitgehenden religiösen Autonomie des Adels, aber etwa auch noch von einer „glücklichen Synthese mit ursprünglich bürgerlichen Bildungsidealen“ geprägt war; das gilt aber auch für Karin J. MacHardys schlechthin grundlegende Analyse der sozialen Umschichtungen und politischen Verhaltensweisen des teils altgläubig bleibenden, teils konvertierenden, teils rekonvertierenden niederösterreichischen Adels bis zum „Epochenjahr“ 1620 (Der Einfluß von Status, Konfession und Besitz auf das politische Verhalten des niederösterreichischen Ritterstandes 1580—1620, S. 56-83). Eine Umbruchsphase stellen die Jahre um 1600 für den niederösterreichischen Adel auch in bezug auf die Umfunktionierung der Grundherrschaft als seiner wichtigsten Einkommensbasis zu einem unter- nehmerisch-marktorientierten Finanz- und Herrschaftssystem dar (Herbert Knittler Adelige Grundherr Schaft im Übergang, S. 84-111), sowie in bezug auf den Militärdienst, wo die Entwicklung hin zum miles perpetuus für den Adel durchaus auch positive Aspekte hatte (Martin C. Mandlmayr / Karl G. Vocelka Vom Adelsaufgebot zum Stehenden Heer, S. 112-125). Vom Ergebnis her („Die Religion war vermutlich mehr als in vorausgegangenen Generationen Movens des Handelns . . .“) etwas unbefriedigend war für mich der Beitrag von Gustav Reingrabner (Religiöse Lebensformen des protestantischen Adels in Niederösterreich, S. 126-138). Gernot Heiß’ Studie über das Bildungsverhalten des niederösterreichischen Adels im gesellschaftlichen Wandel (S. 139-157), in der Spannung zwischen Wissenserwerb und Formierung bzw. Konservierung von Gruppenbewußtsein zeugt von außerordentlicher Sachkun- digkeit, während bei dem den ersten Teil des Bandes abschließenden Aufsatz des Kunsthistorikers Peter Hai ko über den Wandel in der Landschaftsmalerei um 1600 (Vom Interesse am Detail zur generellen Überschau, S. 158—168) zu einer mehr intimen, stimmungsbetonten Schilderung der Bezug zum Gesamtrahmen „Niederösterreichischer Adel um 1600“ wohl doch etwas besser hätte verdeutlicht werden müssen. Unter der Formel Wege zur Integration sind im zweiten Teil des Bandes einige Einzelstudien zusammengefaßt, die multiperspektivische, interdisziplinäre Fragestellungen mit der Tendenz hin zur „Gesamtgeschichte“ zu entwickeln suchen. Anton Schindlings Sammelbesprechung einiger Neuerscheinungen zur Geschichte Straßburgs im 16. Jahrhundert (Kirche, Gesellschaft, Politik und Bildung in Straßburg, S. 169—188) weitet sich zu einem außerordentlich anregenden generellen Fragenraster zum Forschungsfeld „Reichsstadt“ und „Reformation“ aus. Während der Bericht von Jean-Michel Thiriet (Fragestellungen im Rahmen einer Studie über eine Minderheit im Anden Régime (S. 189-196) über ein Forschungsvorhaben (Italiener in Wien 1619-1740) eher abfällt, jedenfalls über Allgemeinplätze und Banalitäten kaum hinauskommt („Es wäre zu schön, wenn der Historiker über alle Quellen verfügte“), ist es zu begrüßen, daß eine schon etwas ältere Studie von Helmut G. Koenigsberger über die Zusammenhänge von Musik und Säkularisierungsprozeß (Musik und Religion im neuzeitlichen Europa, S. 197-220) nun auch in deutscher Überset