Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)

SPIELMAN, Danila Cole – THOMAS, Christiane: Quellen zur Jugend Erzherzog Ferdinands I. in Spanien. Bisher unbekannte Briefe Karls V. an seinen Bruder (1514–1517)

Quellen zur Jugend Erzherzog Ferdinands I. 11 abgeschlossen43). Selbstverständlich hatte er das Konvolut der Karlbriefe in die Familienkorrespondenz einbezogen, mit großen energischen Buchstaben­zügen hatte er die Papierhülle beschriftet: „1514-1517 / K. Karl V. 10 Stk.“44). Der auf Meillers Dienststelle nachfolgende Gustav Winter, später tatkräftiger Archivdirektor während des Neubaus auf dem Minoritenplatz, beschäftigte sich ebenfalls mit dem Familienarchiv — dies bezeugen unter anderem Nachträ­ge von seiner Hand in dem ab 1870 gültigen Inventar Thomayrs45) -, kannte daher bestimmt die Untergruppen der Familienkorrespondenz A und hob, als Baumgarten seinen Besuch ankündigte, für den Biographen des jungen Karl unaufgefordert die bis dahin unbekannten Schreiben aus: ein Fund, der schon damals Aufsehen hätte erregen müssen, wenn Baumgarten nicht ein Jahr zuvor den ersten Band publiziert hätte. Natürlich wäre eine nachträgliche Auswer­tung in Form eines ergänzenden Aufsatzes nach dem Motto „Neue Funde . . .“ zu erwägen gewesen, als Autor wäre jedoch in erster Linie der Finder Gustav Winter in Frage gekommen. Es ist nur Vermutung, daß sich Winter dieses Thema reservierte, verwirklicht hat er einen etwaigen Plan nie. Daher ist es auch lediglich als Annahme - ohne Indizienbeweis - vorstellbar, daß Winter das Konvolut bei sich, in seinem Arbeitszimmer und in seinem Schreibtisch, behielt, - eine Hypothese, deren einzige Grundlage eine Zahl auf der Konvolut­hülle bildet: In dem Titel Meillers wurde die Angabe „10 Stk.“ in „12“ verbes­sert46). Für den Schreiber dieser Korrektur ist kein langes Rätselraten notwen­dig: Es ist Fritz von Reinöhl, der Betreuer des Familienarchivs in der Ersten Republik, dem wir das moderne Stückverzeichnis zur Familienkorrespondenz verdanken47). Schon in den zwanziger Jahren widmete sich Reinöhl der Fami­43) Ebenda 1 89 und 2 5 f. 44) In diesem Fall gestaltete sich der Schriftvergleich schwieriger. Zum einen setzt sich die Beschriftung nur aus wenigen Buchstaben zusammen, zum anderen ist einzukal­kulieren, daß kurze Titel, Überschriften und Signaturvermerke sehr oft mit lateinischen Buchstaben geschrieben werden, während die langen Texte der Schriftprobensammlung (Archivbehelf 548: siehe oben Anm. 41) die gängige Kurrentschrift aufweisen. Der Anfangsbuchstabe K des lateinisch geschriebenen „Karl“ läßt denn auch an der Urhe­berschaft Meillers zweifeln, doch ist die kurrente Kürzung „Stk.“ derart charakteri­stisch, daß nach Hinzuziehung des ersten (erhaltenen) Inventars der Familienkorrespon­denz (Archivbehelf 297) von seiner Hand — des Ergebnisses seiner Ordnungsarbeiten -, jeder Zweifel beseitigt ist. Bis jetzt ungeklärt ist die kleiner und lateinisch geschriebene Zeile „an seinen Bruder Ferdinand“ unter Meillers Titel. Die Verwendung der lateini­schen Schrift legt nahe, an einen der ungarischen Archivare zu denken, die auch für die deutsche Sprache lateinische Buchstaben gebrauchten: Arpad von Károlyi, der nach dem Ersten Weltkrieg nach Ungarn zurückkehrte, und der weitaus ältere Anton von Gévay, Verfasser des Itinerars Kaiser Ferdinand I. (Wien 1843) sind auszuschalten. Beider Lateinschrift zeigt einen steilen Duktus, während unser Beispiel nach rechts geneigt ist. 45) Gesamtinventar 1 159. 46) Die Datumsgrenze 1517 wurde schon vor der Korrektur „12“ von einer älteren Hand in 1554 umgewandelt: siehe unten S. 13. 47) An und für sich gehört die Zuschreibung von Zahlen an eine bestimmte Hand zu den mühevolleren Kapiteln der Schriftbestimmung. Reinöhls Ziffer 2 zeigt aber einen sehr deutlichen, etwas unter die Zeile reichenden Abschwung nach der Schlinge auf der

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