Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

HUMMELBERGER, Walter: Ein wallonisches Pasquill über die Türken vor Wien im Jahre 1683

Ein wallonisches Paquill über die Türken vor Wien 273 seine Angriffe eröffnen oder, wie sich bald zeigte, deren Schwerpunkt setzen werde. Tatsächlich bestand die artilleristische Überlegenheit der Stadtverteidigung trotz der starken Verluste an Bedienungsmannschaf­ten bis zum Schluß. Bald nach Beginn der schweren Angriffs- und Abwehrkämpfe setzte der nicht minder erbitterte unterirdische Minenkrieg ein, so daß bereits am 23. Juli die ersten Minen in der Kontereskarpe detonierten. Wenn auch die Janitscharen zugleich mit den Explosionen in die ,eingeworfenen“ Stellungen zu stürmen versuchten und sich mitunter kurzfristig festset­zen konnten, gelang es dennoch, den Abstieg der Türken in den Graben — bis zu der am 6. August von Starhemberg befohlenen Räumung des un­haltbar gewordenen Kontereskarpe-Abschnittes vor dem Burgravelin 20) — zu verhindern. Diese unablässig hin- und herwogenden Gefechte wer­den in einer lebhaft-derben Anschaulichkeit erzählt, wie diese nur un­mittelbarem Erleben entspringen kann21). Das wird besonders deutlich erkennbar beim Vergleich mit dem oftmals gedruckten, aber eintönigen Diarium 22 *) eines gleichfalls anonymen „Kayserlichen Officiers“, von dem Stöller annimmt, daß er Artillerist in Starhembergs Stab gewesen sei 2S). Die folgenden Schilderungen des geradezu verzweifelten Ringens beider Seiten um den Burgravelin als das schwierigste und letzte Hindernis vor dem die beiden Bastionen verbindenden Wall24) zeigt die tödliche Monotonie dieser Phase des Belagerungskrieges mit drastischer Härte. Als in der Nacht vom 3. zum 4. September nach zweiundzwanzig Tagen erbit­terten Widerstandes der Ravelin endgültig aufgegeben werden mußte, wird diese Tatsache in nur zwei Zeilen festgehalten25): „L’quatriéme, trés tárd dans la nuit, Ils nous prirent le Ravelin.“ Es folgen Beschrei­bungen der Höhepunkte des Minenkrieges der Türken: der Sprengung 20) Der Ravelin war das wichtigste permanente Außenwerk der bastionier- ten Festungssysteme aller Varianten. In den späteren Phasen wurde er allgemein zwischen zwei Bastionen meist in der Höhe des rückwärtigen Teiles der Facen (vgl. Anm. 24) errichtet. Gleichfalls aus zwei in der Spitze vereinten, meist gemauerten Facen bestehend, war die Rückseite durch Palisadenwände geschützt. 21) Transkription Zeilen 85—140. 22) Glaubwürdiges Diarium und Beschreibung dessen, was Zeit während der Türckischen Belagerung der Kayserl. Haupt- und Residentz-Stadt Wien täglich vorgangen. Von einem Kayserl. Officier, so sich vom Anfang biß zum Ende darinnen befunden, warhafftig verzeichnet und zusammen getragen. Anno 1683 (ohne Ort und Jahr); vgl. Sturminger Bibliographie nn. 1105—1110, hier n. 1110. 25) Stöller Neue Quellen 7. 24) Der Wall (auch Mittelwall oder Courtine genannt) war die Verbindung zwischen zwei Bastionen, gewöhnlich 300 m lang. Da die maximale Tragweite der Handfeuerwaffen (Musketen) ca. 150 m, die der Geschütze ca. 500—600 m betrug, konnte der Raum vor dem Wall durch flankierendes Feuer von den Facen (vgl. Anm. 26) und Flanken der beiden Bastionen bestrichen werden. 25) Transkription Zeilen 214—215.

Next

/
Oldalképek
Tartalom