Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

HUMMELBERGER, Walter: Ein wallonisches Pasquill über die Türken vor Wien im Jahre 1683

272 Walter Hummelberger Die erste Krise trat durch die rasche Überwindung des Glacis und die Errichtung von zwei vorgeschobenen Batterien durch die Angreifer ein, die ihr Feuer auf die Löbelbastion konzentrierten. Diese war, in den Jah­ren 1544 bis 1547 erbaut, besonders für die Geschützaufstellung wegen ih­res zu engen Kavaliers15 *) und der zu schmalen Bastionsplattform nur unter Inkaufnahme großer Verluste sehr bedingt tauglich. Trotzdem brachten die Verteidiger den ersten Angriffsschwung der Türken, für diese vermutlich gänzlich unerwartet, an der Palisadenwand des gedeck­ten Weges der Kontereskarpele) zum Stehen. Beachtenswert erscheint die Bemerkung, daß der Schock der ersten Belagerungstage zumindest bei einem Teil der Offiziere das Gefühl hoffnungsloser Unterlegenheit bewirkte. Eventuelle Kapitulationsabsichten, die der Verfasser andeu­tet 17), wurden jedoch wegen der notorischen Wortbrüchigkeit der Tür­ken in solchen Fällen als undurchführbar abgetan; der Oberbefehlshaber in Wien, Rüdiger Graf Starhemberg, und der Chef der militärischen Stadtverwaltung, Zdenék Graf Kaplir, haben bestimmt nicht an Über­gabe gedacht. Hierher gehören auch die Vorwürfe über mangelnde Verteidigungsvor­bereitungen, die allerdings den gleich darauf folgenden Darstellungen des Kampfes um die Kontereskarpe offensichtlich widersprechen. Denn wä­ren tatsächlich die Palisaden18) noch nicht .gesetzt“ gewesen („les pa- lissades on n’avait pas encore platées“) und auf den beiden Bastionen nur zwei jämmerliche Geschütze gestanden („II n’y avait, sur deux bastions, que deux méchants pieces de canon“)19), dann stellt sich sogleich die Gegenfrage: Womit konnte der .palisadenlose“ gedeckte Weg gegen den ersten Ansturm — noch dazu .ohne Artillerieunterstützung“ — so erfolg­reich verteidigt werden? Niemand konnte in der Phase der Einschließung bei einem 4,5 km langen Festungsring voraussehen, wo der Belagerer großformatige Reproduktion bei Peter Broucek — Erich Hillbrandt — Fritz V e s e 1 y Historischer Atlas zur Zweiten Türkenbelagerung (Wien 1983) 25. Vgl. Sturminger Bibliographie nn. 3862, 3863. 15) Der Kavalier war eine die Bastion und den Wall überhöhende, ge­mauerte Artilleriestellung. Er bestand, ebenso wie die Bastion aus zwei in der Spitze vereinten Facen (vgl. Anm. 26) mit senkrechten Flanken, die an der Rückseite durch eine Mauer abgeschlossen waren. io) Die Kontereskarpe war die äußere Grabenwand, im Gegensatz zu der Eskarpe, der inneren, am Fuße des Walles. Der gedeckte Weg war ein 5—7 m breiter Gang entlang der Kontereskarpe, der durch eine Palisadenwand (vgl. Anm. 18) gegen das Glacis geschützt war. X7) Transkription Zeilen 55—59. 18) Palisaden waren 3—4 m lange, ca. 30 cm starke, oben zugespitzte, roh behauene Pfähle. Diese wurden 1 m tief in den Boden eingegraben (gesetzt). Der Abstand zwischen den Palisaden betrug 5—8 cm, um einen Musketenlauf zum Feuern durchstecken zu können. 19) Transkription Zeilen 47—52.

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