Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

DIRNBERGER, Franz: Theaterzensur im Zwielicht der Gesetze (1918–1926)

256 Franz Dirnberger nung zu stören, wird auch bei .voller Zensurfreiheit* nicht aufgeführt wer­den können. An Stelle der vorherigen Überprüfung und an Stelle der auf diesem Wege bewirkten Ausmerzung alles desjenigen, was strafwürdig ist oder die öffentliche Sicherheit gefährdet, wird nun die Repression treten müs­sen.“ Zum Beweis für diese Feststellungen folgen nun die betreffenden Ge­setzesstellen unter Aufdeckung all der scheinbaren Widersprüche. Nach Schobers Ansicht fiel mit der Zensur die in § 3 der Theaterordnung ver­langte Aufführungsbewilligung. Nach § 6 der Theaterordnung hatte die Sicherheitsbehörde zu wachen, daß nichts Anstößiges und den öffent­lichen Anstand Verletzendes auf geführt werde bzw. Ruhe, Ordnung und Anstand aufrecht erhalten und alle Störungen vermieden würden. Bei „dringenden Rücksichten“ konnte gegen nachträgliche Genehmigung durch den Statthalter (Landeschef) eine Vorstellung ganz oder teilweise einge­stellt werden. Dieser Paragraph blieb unangetastet, und damit war die Situation für den Polizeipräsidenten klar: „Die Sicherheitsbehörde wird daher in Zukunft zwar Theaterstücke nicht mehr vorher lesen und auch nicht mehr den Unternehmer auf das Strafgesetzwidrige der einen oder anderen Stelle aufmerksam machen. Sie wird aber, wenn die im § 6 der Theaterordnung angeführten Übertretungen des Gesetzes konsta­tiert werden, je nach der Lage des Falles die gerichtliche oder die polizeiliche Strafamtshandlung einleiten; sie wird aber auch im Falle, als dringende Rück­sichten es fordern, die Aufführung selbst ganz oder teilweise untersagen und selbst bereits begonnene Aufführungen nicht mehr fortsetzen lassen“ — ohne Rücksicht auf die aufgelaufenen Kosten für die Inszenierung eines Stückes. „Die Behörden werden eben etwas mehr Voraussicht in anderer Weise üben müssen, und die Theaterunternehmungen werden manchen Schaden davontra­gen und sie vielleicht eine restitutio in integrum eher verlangen als die Be­hörde, für die diese Entscheidung lange nicht diese Bedeutung hat, als die­jenigen glauben, welche immer Metternich und Sedlnitzky zitieren und mit der anschaulichen Schilderung der Zensurplackereien, unter denen Grillparzer und andere Dichter im Vormärz gelitten haben, den Anschein erwecken wollen, als ob im neuen Österreich eine Zensur überhaupt noch bestanden hätte.“ Was schließlich über die Zensur der letzten Zeit berichtet worden sei, hätte meistens Reklamezwecken gedient, „um Stücke, denen ein Versager drohte, durch den Hinweis auf den Wauwau .Zensur* etwas zugkräftiger und den Autor etwas interessanter zu machen“. Diesen privaten oder offiziösen aufklärenden Überlegungen folgten offi­ziell keine Bekanntmachungen. Amtsintern freilich versuchte das Bun­deskanzleramt, eine für alle Bundesländer geltende einheitliche Rege­lung in die Wege zu leiten52). Die ideale Erledigung hätte die Ange­legenheit in dem vielzitierten Theatergesetz gefunden, aber zu große Gegensätze in der politischen Landschaft — etwa ob die Theaterange­legenheiten Bundes- oder Landessache seien — verhinderten die Be­schlußfassung. So wählte man den Weg eines Erlasses an alle Landes­hauptleute, der allerdings nicht als Weisung aufzufassen war, um bei 52) Das Folgende nach IA ZI. 106079 ex 1926.

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