Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

DIRNBERGER, Franz: Theaterzensur im Zwielicht der Gesetze (1918–1926)

246 Franz Dirnberger des Post- und Telegrammverkehrs mit dem Auslande“ 26). Mit dem auf drei Jahre befristeten Gesetz sollte die Einhaltung der Devisenvorschrif­ten überprüfbar gemacht und die Vermögenssteuerflucht durch Weg­bringung von Vermögenswerten in das Ausland unterbunden werden. In der Debatte betonte der Abgeordnete Emil Krafft, daß die neue Zeit zwar bisher nicht bekannte Freiheiten gebracht habe; es scheine „sogar ein gewisses Recht auf Raub und Plünderung vorhanden zu sein“. Auf der anderen Seite stünden aber „Zwang und Polizeimaßregeln, die an eine ganz vormärzliche Zeit erinnern“. So notwendig es wäre, der Steuer­flucht zu begegnen, sei diese Maßnahme doch nicht zielführend. Der nächste Redner, der oben zitierte Dr. Ofner, verwahrte sich gegen die geplante Einschränkung garantierter Rechte, auch wenn die Maßnahme befristet wäre. „Es sind nämlich zwei Grundgesetze, die hier einfach bei Seite gestellt werden, das Briefgeheimnis und die Zensurfreiheit. Nun haben wir für alle Zeit die Zensur abgeschafft und ich hatte bereits Ge­legenheit, darauf hinzuweisen, daß auch in dem Gesetze vom Jahre 1869 eine Zensur nicht gestattet ist“27). Abgesehen davon bezweifelte auch Ofner den Nutzen; vielmehr werde dem Rechtsbewußtsein der Bevölke­rung Schaden zugefügt. Die Zensur erscheint hier als ein übergeordneter, allgemeiner Begriff. Die Argumentation des Gerichtes, Zensur ohne Beiwort sei Zensur der Presse, kann danach nicht aufrecht erhalten bleiben. Derselbe Dr. Ofner, der im Februar 1919 von der Abschaffung der Zensur als einer allge­meinen Einrichtung sprach, muß in seinem Antrag im Oktober 1918 mehr gemeint haben als nur die Zensur der Presse. Darüber hinaus war Dr. Of­ner als Hof- und Gerichtsadvokat wiederholt mit Theaterangelegenheiten befaßt und galt als Reichsratsabgeordneter neben Dr. Karl Urban als Fachmann in Theaterrrechtsangelegenheiten; tatsächlich erarbeitete er ja auch einen eigenen Theatergesetzentwurf 28). Von ihm kann daher mit gewisser Berechtigung angenommen werden, daß er am 30. Oktober 1918 auch die Theaterzensur im Auge hatte, die neben der Pressezensur ebenso heftig angegriffen und diskutiert wurde. Was Ofner als Verfassungsrichter zu einer Sinnesänderung bewog, ist nicht bekannt. Wie dem auch sei, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ver­pflichtete die Theaterunternehmungen, gemäß der Theaterordnung von 1850 die Textbücher der zur Aufführung vorgesehenen Bühnenstücke weiterhin der Behörde zur Zensurierung vorzulegen beziehungsweise um eine Aufführungsbewilligung einzukommen und gemäß Theaterbauge­setz von 1911 29) eine Generalprobe unter Beiziehung eines Behörden­26) Stenographische Protokolle 686 ff. 27) Gemeint ist das bereits zitierte Staatsgrundgesetz von 1867 Dezember 21: RGBl. Nr. 142 ex 1867. 28) Vgl. Dirnberger Konflikte 260 f. 28) Niederösterreichisches Landesgesetzblatt Nr. 57 ex 1911.

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