Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

DIRNBERGER, Franz: Theaterzensur im Zwielicht der Gesetze (1918–1926)

Theaterzensur im Zwielicht der Gesetze 247 Vertreters abzuhalten. Bei der unbekümmerten, auf Gewinn ausgerich­teten Programmgestaltung mancher Theaterdirektoren mag die Beibe­haltung dieser überholten Vorschriften eine gewisse Berechtigung gehabt haben, noch dazu in jener turbulenten Nachkriegszeit am Beginn der Re­publik. Unverständlich ist es, wenn die niederösterreichische Landesre­gierung auch für die ehemaligen Hoftheater, bei denen das Programm stets mit großer Sorgfalt erstellt wurde, dieselben Maßregeln zu erzwin­gen suchte. Die Forderung wurde im Zuge der Konzessionserteilung für das Schönbrunner Schloßtheater gestellt30). Burgtheaterdirektor Heine lehnte diese Zumutung ab; er konnte nicht verstehen, warum jetzt an­dere Vorschriften gelten sollten als unter der Hofverwaltung. Dagegen erblickte die Finanzprokuratur in dieser Vorschrift keinen Verstoß gegen die bestehenden Bestimmungen. Ihrer Ansicht nach war diese Vorschrift „bei den Hoftheatern wohl weniger auf Grund einer konkreten Norm, als Kraft Übung, nicht gehandhabt worden“; bei den Hoftheatern hätte es eine eigene Zensur gegeben, welche seit dem Umsturz verschwunden sei. So bestehe „eine mit den positiven Normen kaum zu vereinbarende Lücke“. Sicherlich werde das Staatsamt des Innern diese Agenden an sich ziehen, wenn die allgemeine Regelung im Rahmen der kommenden Theatergesetze auf sich warten lasse. Wie erwähnt, waren die Hoftheater von der Theaterordnung von 1850 ebenso ausgenommen wie vom nieder­österreichischen Theaterbaugesetz von 191131). Hier bestanden eigene Bestimmungen, die in gleicher Weise auf kaiserlichen Entschließungen fußten wie die genannten Gesetze. Mit vollem Recht lehnte daher der Oberste Verwalter des Hofärars Dr. Beck dieses Ansinnen ab. Auch der Staatstheaterpräsident Dr. Vetter wollte eigene Wege gehen. Um einem Zensurerlaß des Innenamtes zuvorzukommen, wies er die Direktionen an, „die Texte von zur Aufführung bestimmten Stücken dem Präsidium der Staatstheaterverwaltung vorzulegen, da die Absichten dieses Staats­amtes, wenn sie verwirklicht werden sollten, die Freiheit der zur Ent­scheidung über die Aufführbarkeit eines Stückes berufenen Personen nach der einen oder anderen Richtung hin in unerwünschter Weise ein­schränken“ könnten 32). In der interministeriellen Besprechung über die Rechtslage der Bundes­theater am 29. Oktober 1921 wurde auch die Theaterzensurfrage näher erörtert33). Entgegen dem Protest des Vertreters des Innenamtes schlug der Vertreter des Unterrichtsamtes, Dr. Leodegar Petrin, vor, nach den Gepflogenheiten in der Zeit der Hofverwaltung die Zensur dem Staats­theaterpräsidenten zu übertragen. Die Rechtslage selbst beurteilte Petrin vor allem nach dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920 sehr 3“) Dirnberger Konflikte 269 f mit Anm. 102 bis 105. 31) Ebenda 268 und oben Anm. 8. 32) HHStA Bundestheaterverwaltung (BThV) 35—3/2—1 ZI. 3160 ex 1920. 33) Dirnberger Konflikte 275.

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