Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

FINK, Manfred: Wiener Arbeiterjugend 1894–1914. Ein Beitrag zu ihrer Vereinsgeschichte

Wiener Arbeiterjugend 1894-1914 163 Arbeiterjugend Österreichs“, der durch die Form der Gründung, Gestaltung und Führung den Anspruch auf eine Jugendorganisation — im Sinne der Ei­geninitiative - in Frage stellte. Beiden gemeinsam war hingegen, daß jene in­haltliche Auseinandersetzung fehlte, die die Arbeiterjugendorganisationen in den Jahren bis 1909 mit Leidenschaft und konkreten Aufgaben erfüllte: die Diskussion um die Reform des Gewerbeschulgesetzes. EI Die Vereinsstruktur sämtlicher mit der Gewerbeschulreform befaßten Ju­gendorganisationen war konsequenterweise von der Tätigkeit „in der Sache“ bestimmt, organisatorische Erfolge stiegen und fielen mit den Bemühungen um eine Neuorganisation. Wuchs die Unzufriedenheit unter den Lehrlingen gegenüber den tradierten Schulformen wie Nacht- und Sonntagsunterricht, dann war auch die Bereitschaft vorhanden, das Unbehagen über Jugendor­ganisationen zu artikulieren. Diesen Trend dokumentieren beispielsweise die starken Mitgliederzuwächse des sozialdemokratischen „Verbandes der ju­gendlichen Arbeiter Oesterreichs“ in den Jahren 1904 und 1905. Entfiel die Rückkoppelung - die organisatorischen Erfolge waren nur so lange zu hal­ten, als der Verbandsvorstand konkrete Erfolge in der Sache vorzuweisen in der Lage war -, dann hatten die Organisationen wiederum strukturelle Ein­bußen hinzunehmen. Die Reformbedürftigkeit der gewerblichen Lehranstalten war weithin sicht­bar, lediglich die Diskussion setzte gemäß den differenzierten Interessen­standpunkten nicht zu vereinbarende Akzente. Ansätze der Veränderung si­gnalisierte die im Aufträge des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht eingesetzte Central-Commission für Angelegenheiten des gewerblichen Un­terrichtes. In deren achter und zehnter Sitzung (12. und 14. Februar 1883) wurde betreffend die Lehrverfassung der Antrag gestellt, den Grundsatz aus­zusprechen, „daß gewerbliche Fachschulen als Bildungsanstalten zu organisieren sind, daß sie demgemäß nicht als bloße Werkstätten betrieben werden, sondern daß an ihnen ange­messene Unterweisungen in den geistigen Grundlagen des Faches, insbesondere in den zeichnenden Disziplinen, den praktischen Arbeiten zur Seite treten sollten“ S3). Die Vielfalt der Eingaben und Anträge, die diese Central-Commission be­schäftigten, dokumentieren über die Tatsache der Reformbedürftigkeit der Gewerbeschulen hinaus mangelhaft geklärte Organisations- und Kompetenz­strukturen. Vor allem waren „Gleichgültigkeit“ und „Widerwillen der Lehr­53) Protokoll über die achte und zehnte Sitzung der Central-Commission für Ange­legenheiten des gewerblichen Unterrichtes. Aufgenommen im k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht: Centralblatt für das gewerbliche Unterrichtswesen in Öster­reich 2 (Wien 1883) 6. ll*

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