Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)
FINK, Manfred: Wiener Arbeiterjugend 1894–1914. Ein Beitrag zu ihrer Vereinsgeschichte
154 Manfred Fink blieb in den ersten Jahren sehr stark von den lokalen Verhältnissen abhängig. So wies der Brünner Verein auf die Schwierigkeiten in bezug auf die Organisierung der Jugendlichen hin und vermerkte, daß in „letzter Zeit auch eine große Anzahl Buchdrucker beigetreten“ war, „wohl ganz im geheimen, denn der Lehrvertrag verbietet ihnen, einem Verein beizutreten, was aber nur für unsere Organisation gilt, denn in die übrigen Lehrlingshorte werden sie förmlich getrieben“13). Auch in Czemowitz hatten die Jugendlichen zu kämpfen. So mußte die im Dezember 1904 gegründete Zahlstelle (Mitgliederstand Mai 1905: 36) für zwei Monate sistiert werden, nachdem deren Mitglieder zu starken nationalen Verfolgungen ausgesetzt waren14). In den Jahren 1906 und 1907 waren in Niederösterreich die Organisationseinheiten von 17 auf 27 Ortsgruppen ausgebaut worden. 1908 hingegen war nach den erfolglosen Versuchen bezüglich einer Gewerbeschulreform wiederum ein Rückgang zu verzeichnen gewesen. In eben diesem Zeitraum expandierten die deutsch-böhmischen Landesorganisationen von 9 (1907) auf 68 Ortsgruppen und Zahlstellen. Bis zum Jahre 1909 gelang den böhmischen Vereinen ein weiterer Ausbau auf 103 Ortsgruppen und Zahlstellen mit einer Gesamtmitgliedschaft von 3.322 Jugendlichen. Die entscheidende, über bloße Solidaritätskundgebungen hinausreichende organisatorische Annäherung zwischen sozialdemokratischer Partei und Ju- gendvertretem war — den Wiener Verein betreffend — im Jahre 1908 vollzogen worden. Auf der ersten ordentlichen Sitzung vom 13. Jänner 1908 berichtete Robert Danneberg über den Beschluß der Parteivertretung, die dem Verband eine jährliche Subvention in der Höhe von K. 600 — bewüligt hatte, sodaß der Verband mit der Subvention der Gewerkschaftskommission nun jährlich einen Betrag von K. 1.200,- erhielt15). Daß die finanziellen Zuwendungen keineswegs „Geschenke“ waren, sondern vielmehr ehrliche Anerkennung zum Ausdruck brachten, vermag die Rekonstruktion der einzelnen Stationen organisatorischer Annäherung „zwischen den Generationen“ zu verdeutlichen. Im Jahre 1903 gab es Annäherungsversuche zu den organisierten Buchdruk- kem, die Aufrufe zum Boykott des Neuigkeit-Weltblattes kolportierten und plakatierten und dies „vor allem auch darum, weil das Blatt insbesondere in der Lehrlingsausbeutung Großes leistet“16). Die organisierten Handschuhmacher wiederum erwogen, „daß die Barmittel der Lehrlinge fast Null sind und halten ihnen dafür den .Jugendlichen Arbeiter*“17). Um die finanziellen Mittel des Verbandes nicht zu überdehnen, hatte sich der Wiener Verein mit dem 13) DJ A 7 (1905) 9: Tätigkeitsbericht des Brünner Vereins jugendlicher Arbeiter. 14) Ebenda: Tätigkeitsbericht der Ortsgruppe Czernowitz. 15) Protokoll der I. ordentlichen Sitzung des Vorstandes des „Verbandes der jugendlichen Arbeiter Oesterreichs“, 1908 Jänner 13: AVA Sozialdemokratische Parteistellen (= SDPSt) 9. 16) DJA 1 (1903) 2. 17) Ebenda.