Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)
WEILING, Franz: Die philosophische Lehranstalt in Brünn (1808–1849) und die österreichische Bildungspolitik jener Zeit. Ihre Bedeutung für die Entdeckertätigkeit Johann Gregor Mendels
128 Franz Weiling von 1852 bis 1882 Professor der deutschen Literatur an der Universität Krakau sowie zeitweise deren Rektor. b) Wie bereits erwähnt, war der 1819 für den Lehrstuhl für Reine Elementarmathematik präsentierte Augustiner Antonin Credis kurze Zeit nach den Prüfungen verstorben und der Lehrstuhl zunächst mit einem Geistlichen vom Stift Raigem provisorisch besetzt worden. Das Altbrünner Stift sandte daraufhin einen am Konkurs von 1819 ergebnislos beteiligten Stiftsangehörigen für ein Jahr (1820—1821) zum Studium der Mathematik nach Wien. Dieser Kandidat schnitt jedoch bei seiner Prüfung (1821) so schlecht ab, daß die Studien-Hofkommission das Stift aufforderte, einen anderen Kandidaten zu stellen55). Dies geschah Mitte des Jahres 1823 mit Aurelius Thaler (1796-1843)56). Die Mitte November 1823 am Philosophischen Lyzeum in Olmütz abgelegte konkursartige Prüfung Thalers wurde in ihrem Ergebnis von den dortigen Professoren „vorteilhaft und einhellig ehrenvoll“ beurteilt, wohingegen das Urteil der unabhängig davon befragten Wiener Professoren negativ ausfiel. Mit einer längeren und bemerkenswerten Begründung, die sich vor allem auf den Widerspruch in der Beurteilung der Professoren von Olmütz und Wien stützt, setzt sich die Studien-Hofkommission in diesem Fall über das Urteil der vier Wiener Gutachter (v. Ettingshausen, v. Littrow, Baumgartner, Jenko) sowie die abschließende Stellungnahme des Vice-Stu- diendirektors Wilde hinweg und erteilt Thaler am 29. Mai 1824 die Lehrbefähigung für die Brünner Anstalt mit der Auflage, daß nach Ablauf eines Jahres ein Gutachten darüber vorzulegen sei, ob Thaler weiterhin ganz unbedenklich im Lehramt verbleiben könne57 *). Aus dieser, vom geistlichen Regierungsrat und Direktor der philosophischen Studien, dem Präses der Philosophischen Fakultät der Universität Wien Thomas Powondra (1786 bis 1832)ss), geschriebenen und Unterzeichneten Stellungnahme der Studien- ! Hofkommission sind in diesem Zusammenhang die folgenden Sätze besonders bemerkenswert: „Es ist bekannt, daß die Professoren zu Wien . .. die von den Stiftern und Diözesen gestellten Lehramtscandidaten genau so streng beurtheilen, wie Concurrenten um ein Lehramt an einer vom Staate besoldeten Lehranstalt.. . Bei solchen Lehrämtern, wo ein Stift den Lehrer zu stellen hat, ist aber nach dem Erachten des Referenten übertriebene Strenge eher schädlich als nützlich, weil sie die den Stiftern ohnehin fühlbare Last der Stellung der Professoren nur erschwert . . . Wenn ein solcher vom Stifte gestellter Professor wirklich, was sich bald zeigt, minder StHK vom 4. Januar 1845 sogleich die Lehrbefähigung für die Brünner Lehranstalt zuerkannt: StHK 373 ZI. 8876/1844. 55) Es handelt sich bei diesem erfolglosen Kandidaten um P. Ferdinand Schaumann (1792—1846): StHK 372 ZI. 5287 und 7206/1821. Schaumann war später Präfekt (nicht Direktor, wie Iltis Mendel 12 schreibt) des Gymnasiums in Troppau, als Mendel diese Anstalt besuchte. 56) Biographiebei Wurzbach BLÖ 44 (1882) 133 f. 57) StHK 372 ZI. 3505/1824. 5S) Biographie bei Wurzbach BLÖ 23 (1872) 180f.