Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

WEILING, Franz: Die philosophische Lehranstalt in Brünn (1808–1849) und die österreichische Bildungspolitik jener Zeit. Ihre Bedeutung für die Entdeckertätigkeit Johann Gregor Mendels

Die Philosophische Lehranstalt in Brünn (1808-1849) 129 geschickt befunden werden sollte: so ist ja hier augenblickliche Abhilfe möglich, wie dieß bei einem vom Staate angestellten Professor nicht der Fall ist .. 59). Thaler ist in Brünn auch als Botaniker hervorgetreten60); das von ihm ange­legte Herbar der mährischen Flora stand später auch Mendel zur Verfü­gung61). Thaler bekleidete die mathematische Professur nur zehn Jahre. Er wurde Anfang 1833 aus Disziplingründen zurückgezogen und zunächst pro­visorisch durch Phüipp Gabriel (1811—1885)62), zeitweise Antonin Alt (1806—1888)63) ersetzt. Beide bereiteten sich gerade auf die Lehramtsprüfung in Reiner Elementarmathematik vor. Diese Prüfung fand ein Jahr später statt, wobei jedoch beide Kandidaten in der schriftlichen Arbeit versagten und zur Wiederholung derselben nach weiterem Studium aufgefordert wur­den64). Gabriel trat zwei Jahre später (am 4. Februar 1836) an; in den erhal­ten gebliebenen Prüfungsakten befindet sich noch das gesiegelte Original der vom damaligen Hofrat Hallaschka eigenhändig gestellten drei Prüfungsfra­gen, für deren schriftliche Beantwortung „längstens 12 Stunden“ zur Verfü­gung standen65). Diese Fragen erscheinen auch für die damalige Zeit recht leicht, so daß der Eindruck entsteht, daß der aus eigenem Erleben mit den Brünner Verhältnissen bestens vertraute Referent der Studien-Hofkommis- sion (Hallaschka) ein erneutes Versagen dieses Kandidaten nach Möglichkeit vermeiden wollte. Mit Dekret vom 25. Juni 1836 wurde dann die Lehrbefähi­gung ausgesprochen65®). 59) Im Zusammenhang mit der Frage, ob die mährischen Stifte auch die Bezahlung für den außerordentlichen Lehrstuhl für Erziehungswissenschaft zu tragen hätten (siehe Anm. 24), schreibt der Landesgouverneur von Brünn am 7. März 1835 an die StHK: „Haben die mährischen Stifte ohnehin im Staate die meisten Lasten zu tragen, und jede neue Last würde für sie um so drückender seyn, als sich dadurch ihre Ausla­gen immer in ein grösseres Mißverhältniß zu ihren Einnahmen stellen, und ihre Exi­stenz immer mehr gefährdet seyn würde“ (Schreiben des Gouverneurs von Brünn an die StHK, 1835 März 7: StHK 373 ZL 4584/1835). 60) d’Elvert Geschichte der Studien-, Schul- und Erziehungsanstalten 188, 191, 251f, 352 und Zur Cultur-Geschichte 188, 191, 251f; Wurzbach BLÖ 44 133f. 61) Iltis Mendel 25. 62) StHK 372 ZI. 1461/1833. 63) Personalstand der Sekular- und Regular-Geistlichkeit des Bistums Brünn (1836) 134 f. 64) StHK 373 ZI. 4196/1834. 65) StHK 373 ZI. 3675/1836. - Die drei Prüfungsfragen lauteten: „1. Einen gegebe­nen Bruch auf einen gegebenen Nenner oder Zähler zu bringen. 2. Parallelogramme auf einerley Grundlinie und zwischen Parallelen sind einander gleich. 3. Die Oberflä­che und der Inhalt einer Kugel zu berechnen“. — Ein nachsichtiges Urteil fällte Hal­laschka offensichtlich im Falle des Kandidaten der Physik Meinhard Schubert (siehe oben Anm. 13), dessen Klausurarbeit von den Professoren in Olmütz und Wien unter­schiedlich beurteilt worden war. Die beiden Olmützer sowie einer der vier Wiener Pro­fessoren hielten Schubert noch nicht für lehrfähig, während zwei der Wiener Professo­ren ihn für voll, der dritte ihn für bedingt lehrfähig erkannten und der Studien-Vice- Direktor ihn für ein Hausstudium oder einen ähnlichen Lehrstuhl tauglich vorschlug. Der Entwurf des Bestätigungs-Dekretes ist von Hallaschka geschrieben und unter­zeichnet. 65a) Wie Anm. 3. Mitteilungen, Band 35 9

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