Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)
WEILING, Franz: Die philosophische Lehranstalt in Brünn (1808–1849) und die österreichische Bildungspolitik jener Zeit. Ihre Bedeutung für die Entdeckertätigkeit Johann Gregor Mendels
122 Franz Weiling Die nach der starken Reduzierung der Klöster und damit auch der Ordensgeistlichen unter Joseph II. noch verbliebenen Ordensstifte waren auf diese Aufgaben nicht vorbereitet und fühlten sich überfordert. Nicht nur die neu gegründete Philosophische Lehranstalt in Brünn, auch die 1806 in Böh- misch-Budweis gegründete Philosophische Lehranstalt war zunächst für zehn Jahre mit Ersatzprofessoren besetzt worden, da das in diesem Falle zuständige Zisterzienserstift Hohenfurth die erforderlichen Lehrkräfte nicht sogleich zu stellen vermochte34). Daher laufen schon frühzeitig Bemühungen der kaiserlichen Behörden sowie des Kaisers persönlich, die in Frage kommenden Stifte für eine wissenschaftliche Ausbildung geeigneter Mitglieder zu gewinnen. Diese Bemühungen erreichen 1811 einen entscheidenden Höhepunkt. In einem Dekret der Hofkanzlei vom 14. Februar 1811 wird in einer erneuten diesbezüglichen Anordnung des Kaisers mitgeteilt: „. . . die Stifte [sollen] zur Cultivirung der höheren Wissenschaften überhaupt, besonders aber jener Fächer, welche viele Zeit zur Vorbereitung und einen kostbaren literarischen Apparat erfordern, aufgemuntert werden. Seine k. k. Majestät wünschen, daß die Stifte . . . [nach dem Beispiel eigens angeführter aus- und inländischer Ordensstifte] Anstalten treffen, durch welche sie ausgezeichnete Männer in ihren Gemeinden erziehen, die zum öffentlichen Lehramte der höheren Wissenschaften an Universitäten und Lyceen . . . verwendet werden mögen . . . Die Fächer, deren Cultivirung . .. besonders gefordert wird, sind aus der Theologie die Kirchengeschichte und das Bibelstudium mit den dazu nöthigen Hilfswissenschaften der hebräischen und griechischen Sprache, dann der mit der erstem verwandten Dialecte [gemeint sind Arabisch, Syrisch und Chaldäisch]; aus der Phüosophie die Naturgeschichte, die Physik mit der angewandten Mathematik, die Astronomie und höhere Mathematik, die Diplomatik, Numismatik und Heraldik. Da nicht in jedem Stifte die literarischen Apparate für alle diese Wissenschaften in gleichem Maße vorhanden seyn können, und da es erwünschlich ist, in den Fällen erledigter Lehrkanzeln dieser Art sogleich zu wissen, wo man einen mit Auszeichnung dem Lehramte gewachsenen Mann finden könne, so befehlen Seine Majestät, daß gewisse Fächer einzelnen Stiften zur Bearbeitung besonders übergeben werden sollen . . ,“35). Zugleich erfolgt die Anweisung, daß die Landesgouvemeure mit den Stiften in Verbindung treten und Vorschläge einholen sollen, welche der genannten Fächer die einzelnen Stifte in Anbetracht ihrer besonderen Hilfsmittel und Möglichkeiten besonders zu pflegen bereit sind. Daß die zuständigen Wiener Stellen bei dieser Aufmunterung nicht ausschließlich an geeignete Lehrkräfte dachten, geht aus einem Vortrag der Hofkanzlei beim Kaiser vom 16. Juli 1813 hervor: „. . . was die Sache selbst betrifft, so glaubt man, die Cultivirung der Wissenschaften in den Stiften habe nicht zum Zwecke, taugliche Lehramtskandidaten für gewisse Fächer zu liefern, sondern das Gebieth der Wissenschaften zu vervollkommnen und zu erweitern, welches Letztere, wenn es geschieht, die Folge nach sich ziehet, daß man auch taugliche Lehramtskandidaten erhalten kann und wirklich erhält. Um diesen Zweck zu erreichen, ist es nicht genug, diesen oder jenen Stiftsgeistlichen zu einem tauglichen Lehramtskandidaten ausbüden zu lassen, sondern die Stifte sollten trach34) Schreiben des Landesgouverneurs von Brünn an StHK, 1819 Juni 10: StHK 372 ZI. 4181/1819. 35) Unger Darstellung 2 642f.