Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

LUTTENBERGER, Albrecht: Landfriedensbund und Reichsexekution. Friedenssicherung und Bündnispolitik 1552/1553

4 Albrecht Luttenberger trotz der verfassungsrechtlich fraglos relevanten Grundsatzentscheidung von 1512 noch immer ein offener friedenspolitischer Handlungsraum angenom­men werden konnte, dessen zweckentsprechende Ausfüllung eine Frage ef­fektiver, zugleich aber auf das Landfriedensgebot festgelegter Machtbildung und -ausübung, reichspolitischer und regionaler Autorität und Führungs­kompetenz und nicht zuletzt einer tragfähigen Interessenbalance zwischen den Ständen und zwischen Ständen und König/Kaiser war. Das Kernpro­blem bestand also darin, diese in sich inkonsistenten Faktoren politisch in einen vom dezidierten Willen zur Friedenserhaltung gesteuerten Wirkungszu­sammenhang zu bringen und diesen organisatorisch abzusichem. Damit ist eine Perspektive gewonnen, die für die Analyse vom Landfrieden her moti­vierter Bündnisbestrebungen zumindest hypothetisch adäquat erscheint, de­ren reichsgeschichtliche Dimension freilich erst in der Kombination mit der Frage nach der Ausformung der Reichsordnung voll sichtbar wird. Diese Kombination ergibt sich zwanglos aus der Einordnung des angezogenen Gut­achtens in die reichspolitischen Zusammenhänge. Denn Selds Plädoyer für eine hündische Organisation der Landfriedenssicherung war zur Vorberei­tung eben jenes Reichstages konzipiert, der 1555 nach einer etwa zweijähri­gen Phase intensiver bundespolitischer Aktivität eine grundlegende Reform der Kreisexekutionsordnung beschloß, nachdem auf dem allgemeinen Reichskreistag in Frankfurt im November 1554 die Weichen dazu gestellt worden waren. So drängt sich die Frage auf, welche Faktoren den Gedanken des Landfriedensbundes, wie er nicht nur von Seid, sondern lange Zeit auch von ständischer Seite vertreten wurde, entwerteten und unter welchen Be­dingungen das von der großen Mehrheit der bedeutenderen Reichsstände im Herbst 1554 mitgetragene Votum für den Entwurf einer detaillierteren und effektiveren Reichsexekutionsordnung zustandekam. Diese Entwicklung voll­zog sich vor dem Hintergrund schwerer Erschütterungen der reichspoliti­schen Verhältnisse. Die Behandlung der Frage nach der politischen Vorge­schichte der Exekutionsordnung von 1555 sollte deshalb sinnvollerweise die friedens- und sicherheitspolitischen Aktivitäten des Frühjahrs und Sommers 1552 zumindest am Rande berücksichtigen, dann knapp die kaiserliche und die königliche Bundespolitik 1552/1553 beleuchten, die reichspolitische Posi­tion des Heidelberger Bundes umreißen und in die Analyse der Auseinander­setzungen um die Exekution der Acht gegen Markgraf Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach einmünden. Die Verhandlungen über die Exe­kutionsordnung in Frankfurt und Augsburg müssen nicht mehr im Detail miteinbezogen werden, weil dies über die gewählte Fragestellung hinausfüh­ren würde. Im übrigen hat zuletzt Alfred Kohler diesen Komplex in instruk­tiver Weise abgehandelt7). Durch die Fürstenrebellion im Frühjahr 1552 überrascht und finanziell und militärisch aufs erste nicht operationsfähig, fand die kaiserliche Regierung 7) Die Sicherung des Landfriedens im Reich. Das Ringen um eine Exekutionsord­nung des Landfriedens 1554/1555 in MÖStA 24 (1971) 140-168.

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