Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

LUTTENBERGER, Albrecht: Landfriedensbund und Reichsexekution. Friedenssicherung und Bündnispolitik 1552/1553

Landfriedensbund und Reichsexekution 5 zunächst kein anderes Auskunftsmittel, als einige bedeutendere süd- und südwestdeutsche Stände zur Selbstverteidigung aufzurufen und ihren Ein­fluß auf ihre mindermächtigen Nachbarn und Mitkreisstände zum gleichen Zweck zu aktivieren, um der befürchteten Destabüisierung des südsüdwest­deutschen Raumes vorzubeugen, die Kriegsfürsten zu isolieren und so eine notdürftige Ausgangsbasis für eine etwaige Gegenoffensive zu gewinnen8). Daß Karl V. nicht nur an die persönliche Loyalitätspflicht der angesproche­nen Fürsten appellierte, sondern auch das Interesse des Reiches an der Er­haltung der verfassungsmäßigen Ordnung eindringlich beschwor, verfing freilich fast nirgendwo. Weder Trier, Mainz und Pfalz noch Württemberg oder Bayern mochten diese These, die das Reichsinteresse und das Interesse des habsburgischen Königs/Kaisers gleichsetzte, so ohne weiteres gelten las­sen. Im eigenen territorialen Sicherheitsinteresse suchten sie in dem von ih­nen in Anspruch genommenen Neutralitätsstatus Schutz gegen die Gefahr, in den militärischen Konflikt hineingezogen zu werden, drängten auf die mög­lichst rasche Einleitung von Friedensverhandlungen, weil dies das Interesse des Reiches verlange, und waren im übrigen darauf bedacht, freie Hand zu behalten, um als Vermittler die angestrebte politische Lösung der von der Kriegspartei aufgeworfenen Libertätsproblematik und der Religionsfrage in ihrem Sinne beeinflussen zu können9). Der Wunsch, diese Absichten und Mo­tive miteinander in Einklang zu bringen und sie möglichst gleichzeitig wahrzunehmen, verlangte für die Behandlung des unbestreitbar gegebenen Landfriedensbruches ein Verfahren, das ohne institutionelle Absicherung durch die Reichsordnung auskam, aber dennoch die politische Autorität des Reiches mit hinreichendem Gewicht zur Geltung kommen ließ und zugleich die angestrebte Distanz zum Kaiser gewährleistete, ohne daß es zum Bruch kommen mußte. Die von Kurfürst Moritz, König Ferdinand und Karl V. an­gebotene Passauer Mediation schien in diesem Sinne ein geeignetes Forum für das Pazifikationswerk10). Die ihr zugerechnete reichspolitische Hand­lungsfähigkeit resultierte aus dem Rang und der Macht der geladenen Stän­degruppe, der fünf neutralen Kurfürsten und eigentlich aller bedeutenderen Reichsfürsten. Der hier summierte politische Einfluß sollte die für die anste­henden politischen Entscheidungen, für deren Durchsetzbarkeit und für eine dauerhafte Befriedung des Reiches erforderliche Autorität verbürgen. Dieses Kalkül ging bekanntlich nur zum Teil auf. Das lag keineswegs nur an der Hartnäckigkeit der kaiserlichen Opposition gegen den ersten Vertragsent­wurf. Vielmehr machte sich der Mangel an institutionell verankerter Ent­8) Vgl. Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirtemberg, hg. v. Viktor Ernst, (Stuttgart 1899) XXVI f. 9) Vgl. Reinhold Neumann Die Politik der Vermittlungspartei im Jahre 1552 bis zum Beginn der Verhandlungen zu Passau. (phil. Diss. Greifswald 1896) passim. 10) Zu den Passauer Verhandlungen vgl. Gerhard Bonwetsch Geschichte des Pas- sauischen Vertrages von 1552 (Göttingen 1907) und Heinrich Lutz Christianitas af­flicta. Europa, das Reich und die päpstliche Politik im Niedergang der Hegemonie Kaiser Karls V. (1552-1556) (Gottingen 1964) 88-98.

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