Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

RILL, Gerhard: Die Hannart-Affäre. Eine Vertrauenskrise in der Casa de Austria 1524

138 Gerhard Rill gungen und andere finanzielle Machenschaften und Gaunereien, Indiskretio­nen, Erschwindelung von Würden durch falsche Versprechungen etc. - waren teilweise beweisbar und bedeuteten für den Verurteilten einen weiteren fi­nanziellen Aderlaß. Von Ferdinand und Hannart aber war nicht mehr die Rede. Gehen wir von der Hypothese einer ge- oder verfälschten Hannart-Instruk- tion aus, dann bieten sich hier allerdings einige Anhaltspunkte. Lalemand wurde als Fälscher von Briefen und Urkunden überführt und verurteilt, als Staatssekretär hatte er den besten Überblick über die Möglichkeiten, Er­folgschancen und das Risiko einer weiteren Falsifikation. Wie die Untersu­chungen ergaben, war Hannart Lalemands Feind - wie Perrenin erklärte, überschüttete jener den Delinquenten mit Schmähreden („injure et villenie“), die Lalemand widerspruchslos hinnehmen mußte - und außerdem ein Rivale, der, bei ähnlich verlaufender Karriere, stets an Einfluß und Ansehen einen Schritt vorausging. In der Gunst Ferdinands allerdings schob sich Lalemand seit 1522 vor den nachlässig gewordenen Hannart, doch war 1523-1524 noch nichts endgültig entschieden. Bot sich ihm hier nicht die Möglichkeit, Han­nart in eine Falle zu locken, indem er diesem eine gefälschte Instruktion zu­spielte? Und bezieht sich der Passus der Anklage Perrenins, in dem von In­trigen gegen Hannart sowohl bei Gattinara als auch bei Karl und Ferdinand die Rede ist, nicht deutlich auf die Hannart-Instruktion? So verlockend eine derartige Kombination auch scheinen mag, sie versagt in entscheidenden Punkten. Eben als Sekretär mußte Lalemand wissen, daß er wohl mit Fälschungen von Briefen und Privilegien, nie aber mit solchen von Instruktionen die Chance hatte, unentdeckt zu bleiben; denn die Instruktion erfordert ja einen Vollzugsbericht des Instruierten, und spätestens bei dieser Gelegenheit mußte der Schwindel auf fliegen. Außerdem wäre jene Aussage, in der Ferdinand direkt genannt wird, sicher auch bei der Urteilsbegründung berücksichtigt worden, hätten sich irgendwelche konkreten Hinweise gefun­den; es wäre zweifellos im Interesse Karls und des kaiserlichen Hofes gewe­sen, Lalemand bei dieser günstigen Gelegenheit auch noch die ungelöste In­struktionsaffäre aufzubürden. Bei der Aufzählung der Verbrechen und Ver­gehen fehlt jedoch jeglicher Hinweis und auch jegliche Anspielung auf diese Stelle, die übrigens in den Untersuchungsakten nur in der Aussage Perrenins erscheint. Perrenin hat, wie die Schärfe seiner Erklärungen erkennen läßt, alles zusammengetragen, was gegen den Delinquenten irgendwie verwendbar war. Sicher erinnerte er sich an die seinerzeitige Rückkehr des bereits zum Bösewicht abgestempelten Hannart und an das Verhalten Lalemands, der damals voreilig triumphiert haben mag. Auch muß ihm bekannt gewesen sein, daß Lalemand Hannart als Vertreter der Interessen Ferdinands abgelöst hatte. Diese Elemente vereinigten sich zu einem Anklagepunkt, den man schließlich stillschweigend fallen ließ. Lalemand als möglichen Hersteller oder Auftraggeber der Instruktion werden wir ebenso wie seinen Rivalen und Todfeind Hannart aus der Reihe der Verdächtigen streichen müssen.

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