Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

NEUHAUS, Helmut: Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35. Politische Meinungsumfrage im Kampf um die Reichsverfassung

28 Helmut Neuhaus gingen die Antworten der Mehrzahl der Reichsstädte nur sehr vage auf das Reichstagsprojekt ein und ließen die Sachfragen so gut wie unbeachtet42). Zwischen den beiden vorgestellten Extremmeinungen liegen dann aber die sehr viel differenzierteren Stellungnahmen der übrigen befragten Reichs­stände und -städte, die die ganze Problematik eines Reichstages in der reichs- und konfessionspolitischen Situation Mitte der 1530er Jahre deutlich werden lassen. Dabei ist all diesen Antworten zu entnehmen, daß man zwi­schen der Notwendigkeit eines Reichstages zur Lösung der Religionsfrage und der Notwendigkeit eines Reichstages zur Behandlung des Landfriedens­problems einschließlich der Täuferfrage, der Abwehr der Türkengefahr, der Unterhaltung des Reichskammergerichts und der rechtspolitischen Situation im Reich sowie der auf früheren Reichstagen unerledigt gebliebenen, von Ferdinand nicht näher bezeichneten Gegenstände von Reichsinteresse sehr deutlich unterschied. Zum Problem „Reichstag und Religionsfrage“ wurde die Stellungnahme im wesentlichen unter Berücksichtigung der Reichsbe­schlüsse in der Konzilsfrage43) und des Nürnberger Anstandes vom 23. Juli 1532 abgegeben44), des entscheidenden Dokumentes für die Reichsverfassung der dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts45), das als Moratorium den ent­schieden protestantenfeindlichen Augsburger Reichstagsabschied von 1530 suspendierte und dem reichsrechtlich nie widersprochen wurde, auch nicht vom gleichzeitigen Regensburger Reichstagsabschied, dessen Einhaltung al­lerdings auch keiner der Vertragspartner ernstlich beabsichtigte46). In seiner Beurteilung waren sich nahezu alle Befragten unter Einschluß der rigorosen Kurmainz und Sachsen einig. In ihrer gemeinsamen „Instruction“ für ihre zu 42) Auch die Reichsstadt Augsburg kündigte ihre Stellungnahme durch Gesandte an, die „anderer Sachen halben“ zum König kommen würden (ebenda fol. 142 r). 43) Vgl. dazu etwa die Reichsabschiede (zur Zitierung siehe MÖStA32 [1979] 28 Anm. 14) RA 2, Augsburg 1526, 271 § 5; Speyer 1526, 273f § 1; 1529, 293 §§ 1, 2; 1530, 315 § 61; 1532, Teil II, 354-356 §§ 1-6. 44) Siehe dazu Adolf Engelhardt Der Nürnberger Religionsfriede von 1532 in Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 31 (1933) 19—123; ferner Otto Winckelmann Der Schmalkaldische Bund 1530/32 und der Nürnberger Reli­gionsfriede (Straßburg 1892) 230—264. 45) Zu seiner Einschätzung vgl. Konrad Rep gen Die römische Kurie und der Westfälische Friede. Idee und Wirklichkeit des Papsttums im 16. und 17. Jahrhundert 1: Papst, Kaiser und Reich 1521-1644, 1. Teil: Darstellung (Tübingen 1962) 41f, 54f. Repgen kam zu dem Ergebnis: „Schloß der Kaiser mit ihnen [den Protestanten] diesen Vertrag, welcher die staatliche Gültigkeit des kirchlichen Ketzerrechts für den Territo­rialbereich der Vertragspartner suspendierte, so löste er das Reichsrecht in einem we­sentlichen Punkte vom katholischen Kirchenrecht. Das Jahr 1532 bezeichnet also reichsreligionsgeschichtlich gesehen eine Epoche, die Grenzscheide zwischen .Mittelal­ter' und .Neuzeit', indem ipso facto der Anfang für ein .konfessionell neutrales Reichs­kirchenrecht' gemacht wurde“ (ebenda 41). - Zum Nürnberger Anstand ferner Stephen A. Fischer-Galati Ottoman Imperialism and the Religions Peace of Nürnberg in Archiv für Reformationsgeschichte 47 (1956) 160-180 und Peter Fraenkel Utraquism or Co-Existence: Some Notes on the Earliest Negotiations Before the Pacification of Nuernberg, 1531—32 in Studia theologica 18 (1964) 119-158. 46) Repgen Die römische Kurie 41.

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