Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

SCHUBERT, Peter: Der österreichisch-italienische Gegensatz im Spiegel der Militärattachéberichte aus Bern (1908–1915)

DER ÖSTERREICHISCH-ITALIENISCHE GEGENSATZ IM SPIEGEL DER MILITARATTACHÉBERICHTE AUS BERN (1908-1915) Von Peter Schubert Am 30. Juni 1908 erhielt der Chef des k. u. k. Generalstabes Franz Conrad Freiherr von Hötzendorf ein Schreiben des österreichisch-ungarischen Mili- tárattachés in Bern1), das eine erste internationale Bestätigung für Conrads militärpolitische Ansichten darstellte: den Bericht über ein Gespräch zwi­schen dem Attaché Berlepsch und dem mit der militärischen Planung betrau­ten eidgenössischen Oberstkorpskommandanten Sprecher von Bernegg; ein Bericht, der mit einigen weiteren unter dem Begriff „Punktationen über die Kooperation mit der Schweiz im Falle eines Krieges mit Italien“ in die Ge­schichtsschreibung eingehen sollte2). Von Seiten der eidgenössischen Militärs lag diesem Gespräch - wie auch schon den „Vorgesprächen“ zwischen Sprecher und dem Chef des k. u. k. •Evidenzbüros, Oberst Eugen Hordlicka3) — das sicher nicht gänzlich imbe­gründete Mißtrauen gegenüber den irredentistischen Aspirationen des König­reiches Italien zugrunde, da sich diese auch gegen Schweizer Gebiete, etwa das Tessin, richteten. Und es waren diese Gespräche, die, durch das gemein­same Mißtrauen gegenüber Italien bestimmt, zur raschen Installierung des k. u. k. Militärattaches in Bern geführt hatten4), sodaß dem Posten des Mili­tärattaches geradezu die antütalienische Tätigkeit zur Aufgabe gemacht wurde. Immerhin hatte Sprecher von Bernegg bereits 1906 die Kooperation mit einer ausländischen Macht gegen eine italienische Bedrohung in seine Planung aufgenommen, nachdem er von der politischen Leitung im Militär­departement dazu freie Hand erhalten hatte, — ohne allerdings zu wissen, daß der italienische und der deutsche Generalstab für den Bündnisfall die Verle­gung von zwei italienischen Armeekorps über die Schweiz an den Rhein ab­*) [Franz] Conrad [von Hötzendorf] Am meiner Dienstzeit 1906-1918 1 (Wien etc. 1921) 81. 2) Rudolf Dannecker Die Schweiz und Österreich-Ungarn. Diplomatische und militärische Beziehungen von 1866 bis zum Ersten Weltkrieg (Basel - Stuttgart) 236ff, 270ff. 3) Ebenda 270ff. 4) So wurde etwa auf dem Titelblatt des Archivio deli Alto Adige auch das Tessin als zu Italien gehörig dargestellt. Vgl. dazu Kurt Huber Der italienische Irredentis- mus gegen die Schweiz 1870—1925 (phil. Diss. Zürich 1954) und dsbe Drohte dem Tes­sin Gefahr? Der italienische Imperialismus gegen die Schweiz 1912—1943 (Aarau 1954). Dagegen spricht sich nur I. Brosi Der Irredentismus und die Schweiz. Eine histo­risch-politische Darstellung (Basel 1935) aus.

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