Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)
SPRINGER, Elisabeth: Kaiser Rudolf II., Papst Clemens VIII. und die bosnischen Christen. Taten und Untaten des Cavaliere Francesco Antonio Bertucci in kaiserlichen Diensten in den Jahren 1594–1602
Rudolf II., Clemens Vili. und die bosnischen Christen 93 dert wurden solche Verbindungen ohne Zweifel durch die Uskoken, deren Zahl immer wieder durch Flüchtlinge aus den türkisch besetzten Gebieten ergänzt wurde; es muß als sicher angenommen werden, daß sie von ihren neuen Wohnsitzen im Gebiet der österreichischen Militärgrenze noch regen Verkehr mit ihrer ursprünglichen Heimat pflegten. In dem geistvollen und listenreichen Ordensritter' Bertucci69) fand man nun einen gewiegten Diplomaten, dem vielfach bestätigt wurde, daß er Gesandter, Prokurator und Agent des Bischofs von Alessio, der Grafschaft Poglizza, des Königreiches Bosnien und vieler Woiwoden und Primaten aus Dalmatien und Albanien sei70). Alle diese Leute behaupteten übereinstimmend, daß die .uneinnehmbare' Festung Clissa in Wirklichkeit sehr leicht einzunehmen sei, wenn man nur den richtigen Trick wüßte. Und Bertucci, der „Cavaliere principale“71) dieses Unternehmens, kannte ihn natürlich, denn er hatte seine Informationsquellen in Castelnuovo, Kroja, Alessio, Ragusa und in vielen anderen Orten; er konnte die Möglichkeit einer Eroberung Clissas auch durch „Fachleute“ überprüfen lassen. Denn die Verbündeten hatten erreicht, daß Papst Clemens VIII. Francesco Allegretti, Kapitän einer päpstlichen Galeere, nach Clissa entsandte, um einen genauen Lageplan der Festung anfertigen zu lassen72). Obwohl Bertucci immer wieder versicherte, die Verschwörer könnten den geplanten Volksaufstand allein durchführen, da schon 30.000 Mann auf Abruf bereitstünden, um sich gegen die Türken zu erheben, wollte man doch nicht ohne kaiserliche und päpstliche Unterstützung den Kampf beginnen, weil zu erwarten war, daß dadurch der Eifer der Einheimischen noch mehr angeregt und der Sieg umso sicherer würde. Was man offenbar tatsächlich brauchte und weswegen alle die vielen Botschaften zwischen Dalmatien, Rom, Prag, Graz und Wien hin- und hergingen, war Geld zur Bestechung der Wachen, Munition und Lebensmittel. Man rechnete (wie sich später heraussteilen sollte, mit Recht) damit, daß die venezianischen Seestädte, besonders Spalato, die Türken versorgen würden, und wollte daher die Nachschubwege vom päpstlichen Hafen Ancona und vom österreichischen Fiume her gesichert wissen. Im Hinblick auf eine gewisse Hierarchie innerhalb des im Entstehen begrifSpomenici 1 256ff. - Zum Problem der Oberherrschaft vgl. auch Walter Leitsch Rudolf II. und Osteuropa 1593-1606 in East European Quarterly 6 (1972) 315. 69) „Cavaliere spritoso e di gran maneggi“ — so wird Bertucci in der Handschrift 256 des Deutsch-Ordens-Zentralarchivs Wien (J. Schwandnerus Diplomata- rium seu regesta celeb. Ordin. S. Joh. Hieros. per Bohemian, Poloniam, Hungáriám, Austriam, Styriam et Carinthiam (ca. 1760]) bezeichnet. 70) HHStA Ungar. Akten 356 fol. 5-8, 19-24: zeitgenössische Abschriften dieser Patente (Or. Wien). 71) Ebenda fol. 80: „Offerta quäl’ fä il Cav. Bertucci“, s. d. (Or. Wien). 72) HHStA Ungar. Akten 356 fol. 6: Vorschläge Bertuccis für den Papst, zeitgenössische Kopie (Or. Wien); ebenda fol. 20: zeitgenössische Kopie der Instruktion des Paulo Pavich für Bertucci (Or. Wien); vgl. Grünfelder Uskoken 107.