Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)
HAAS, Hanns: Die Vereinigten Staaten von Amerika und die alliierte Lebensmittelversorgung Österreichs im Winter 1918/19
244 Hanns Haas USA die Kontrolle über die Überschußgüter Argentiniens gesichert. Am 7. November 1918 stellte der United States Food Administrator Herbert Hoover in einem Memorandum für Wilson fest, daß nun mehr als die Hälfte des gesamten Exportvolumens der Welt aus den USA stamme59). Während des Krieges hatten die USA ihre Verbündeten und das deutsch besetzte Belgien mit Lebensmitteln versorgt. Was die Durchführung ihrer europäischen Hilfsaktionen betraf, so unterstellten sich die Vereinigten Staaten dabei jenen Einrichtungen, die die Alliierten zur Vereinheitlichung der Kriegshandlungen geschaffen hatten. Als allerdings zu Kriegsende einige Mitglieder des Allied Food Council die Absicht der Ententemächte bekundeten, die alliierte Kontrolle der Lebensmittelversorgung auch über Kriegsende hinaus aufrechtzuerhalten, warnte Hoover erstmals am 24. Oktober 1918 Wilson vor einer Beibehaltung der bisherigen Praxis: „Any international body on this subject in which we participated would involve us in acceptance of their views and, practically, in acceptance of their distribution of our supplies“60). Hoover findet rasch die Zustimmung der amerikanischen Regierung zu seinen Plänen, nunmehr die Verteilung der Lebensmittel amerikanischer Herkunft selbst zu besorgen. Als Anfang November 1918 die Auseinandersetzungen mit Vertretern der Ententestaaten über die künftige Organisierung der Lebensmittelhilfe einsetzen, schlägt der britische Außenminister Balfour die Errichtung eines General Economic Council mit paritätischer Besetzung aller Alliierten vor61). Hoover hingegen legt am 15. Dezember mit Wilsons Zustimmung als amerikanische Verhandlungstaktik fest, daß die Aktion künftig ein Amerikaner leiten solle, und zwar lediglich unter der Kontrolle des Ver- saüler Kriegsrates62). Am 27. November trifft Hoover in Paris ein. Oberst House unterbreitet an diesem Tag Präsident Wilson den Vorschlag, bei den nun beginnenden interalliierten Londoner Besprechungen auf der alleinigen Verfügungsgewalt über die ja beinahe ausschließlich amerikanischen Lebensmittel zu beharren und für den zu bestellenden Director General Relief eine Richtlinienkompetenz nur des Supreme War Councils anzuerkennen63). Wilson stimmt dem Vorschlag zu, der in seinem Auftrag am 1. Dezember den Alliierten vorgelegt wird64). Die Londoner Verhandlungen zeigen, daß die Verbündeten zwar die Leitung der Versorgungsaktion durch den American Food Administrator billigen, aber ihn nur als „Acting Executive“ eines zu errichtenden interalliierten Gremiums betrachten65). Da nun vor allem die Briten von ihrem Vorschlag nicht abrücken, daß Hoover nur als „mandatory of the Allied and United States Governments“ handeln dürfe66), entschließt 59) Bane- Lutz Organization 32f, 42f. 60) Ebenda 25. 61) Ebenda 48. 62) Ebenda 50. 63) Ebenda 60-63. 64) Ebenda 68 ff. 65) Ebenda 80. 6<s) Ebenda 90.