Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas
Anna Hedwig BENNA: Die Republik Österreich und Sancta Maria de Anima in Rom (1918-1938)
474 Anna Hedwig Benna Prärogative der Exklusive75) trug er jedoch als Kardinalstaatssekretär Pius’ X. nach Ansicht des k. u. k. Botschafters beim Hl. Stuhl, Graf Nikolaus Szecsen, zu einer Besserung der Beziehungen zwischen dem Vatikan und Österreich-Ungarn bei76). Während des Krieges galt er wie die Kardinäle Billot und Gasquet als den Ententemächten zugeneigt77). Für die Anima ergab sich nach dem Untergang der Schutzmacht, der österreichisch-ungarischen Monarchie, durch Dismembration und den Verzicht des Kaisers auf jeglichen Anteil an den Regierungsgeschäften, die Frage, inwieweit die auf Gebietsteilen Cisleithaniens konstituierte Republik Deutschösterreich, die zu der zergliederten, untergegangenen Monarchie im Verhältnis völkerrechtlicher Diskontinuität stand, gewillt und auch in der Lage war, die Funktionen des Protektorats wie einst der Kaiser von Österreich auszuüben. Der neue Staat bedurfte vor allem völkerrechtlicher Anerkennung. Erst diese ermöglichte die Anknüpfung normaler diplomatischer Beziehungen mit anderen Staaten. So trat der deutschösterreichische Staatsrat schon am 20. November 1918 an Papst Bénedikt XV. mit der Bitte um Anerkennung der Republik als selbständiger Staat sowie um Belassung des beim Wiener Hof akkreditierten Nuntius bei der deutschösterreichischen Regierung und um Zustimmung zur Entsendung eines deutschösterreichischen Gesandten beim Hl. Stuhl heran78). Doch erst ein Jahr später, am 12. November 1919, erfolgte die Anerkennung der Republik Österreich durch den Hl. Stuhl79). Die Republik Österreich entsandte keinen Diplomaten, wohl aber den Geschichtsschreiber der Päpste, den Innsbrucker Universitätsprofessor, Direktor des Österreichischen Historischen Instituts in Rom in den Jahren 1901-1915, den Wahlösterreicher Ludwig Freiherrn von Pastor80) am 18. Februar 1920 als provisorischen Geschäftsträger bis zur Ernennung eines Gesandten an den Vatikan81). Nach Akkreditierung eines Apostolischen Nun75) Pastor Tagebücher 460. Zur Abschaffung des Rechtes der Exklusive bei der Papstwahl vgl. Friedrich Engel-Janosi Zwei Studien zur Geschichte des österreichischen Vetorechts in MÖStA Erg. 2/2 (1950) 286f; dsbe Österreich und der Vatikan 2 52; Peter Frei Die Papstwahl des Jahre 1903 unter Berücksichtigung des österreichischen Vetos (Bem 1977). 76) Engel-Janosi Österreich und der Vatikan 2 50. 77) Ebenda 271. 78) Ebenda 342 f, 344; dsbe Die diplomatische Mission Ludwig von Pastors beim Hl. Stuhl 1920—1928 in Sitzungsberichte der Österr. Akademie der Wissenschaften, phil. hist. Kl. (= SB Wien) 254/5 (1968) 3; dsbe Vom Chaos 31 f. 79) Luigi Salvatorelli La politica della Santa Sede dopo la guerra in Manuali di politica internazionale 3 (Milano 1937) 43; Pastor Tagebücher 670f, 676, 678, 681; Engel-Janosi Österreich und der Vatikan 2 343f; dsbe Vom Chaos 16. 80) Zu Ludwig Freiherr von Pastor (1854—1928) vgl. Alphons Lhotsky österreichische Historiographie (Österreich Archiv, Wien 1962) 170 Anm. 545, 217; Georg Oberkofler Die geschichtlichen Fächer an der philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck 1850-1954 (Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 39, Innsbruck 1970) 89—100; österreichisches biographisches Lexikon 1815—1950 (= ÖBL) 7 (Wien 1977) 338. 81) HHStA N. Admin. Reg. 81 (Personalakt Pastor): österr. Staatsamt f. Äußeres ZI. 4878/1920; ebenda 203 (Gesandtschaß Rom Vatikan): österr. Staatsamt für Äuße