Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)
NECK, Rudolf: Sammelreferat. Geschichte der Arbeiterbewegung
Sammelreferate 471 nächst in französischer, englischer, schwedischer, italienischer, tschechischer und holländischer Übersetzung. Ein russischer Menschewik und ein Österreicher haben sich hier zu einem Werk zusammengefunden, das in der stattlichen Reihe der Marx-Biographien seinen Platz behaupten konnte. Teilweise auf neue Quellenfunde gestützt, die leider mangels Anmerkungen nicht ausgewiesen werden, behandelt diese Arbeit hauptsächlich die Persönlichkeit des jungen Marx und analysiert dessen politische Zielsetzungen, während die Jahre des reifen Schaffens wieder einmal zu kurz kommen. Der Standpunkt der Autoren entspricht im allgemeinen dem revisionistischen Marx-Bild der Sozialdemokratie und hat demgemäß seit Jahrzehnten zum Teil scharfe Kritik der KP-Historiker hervorgerufen. Ebenfalls in Neuauflage ist anläßlich des hundertsten Jahrestages des Gothaer Programms — allerdings erheblich erweitert gegenüber der ersten Auflage vor zehn Jahren — die von Osterroth und Schuster verfaßte Chronik der deutschen Sozialdemokratie erschienen, deren erster Band bis zum Ende des Ersten Weltkriegs reicht2S). Es ist eine parteioffiziöse Schrift, aber als Handbuch und Nachschlagewerk äußerst brauchbar, da sie auch die allgemeine historische Entwicklung in Deutschland einbezieht. Gerade durch die unkommentierte Angabe der Fakten erreicht das Werk den Rang einer Dokumentation. Damit hat es sich von der Chronik der sozialistischen Bewegung von Osterroth, auf die es ursprünglich zurückgeht, schon weit entfernt. Stark in Beziehung zur Gegenwart stehen die Aufsätze zur Praxis und Theorie des Sozialismus von Eduard H e i m a n n, die Heinz Dietrich O r 11 i e b zur Erinnerung an den 1970 verstorbenen Gelehrten und Sozialisten herausgegeben und mit einer auch persönlich tief empfundenen biographischen Einleitung versehen hat* 24). Heimanns Sozialismus kommt in seinen Wurzeln aus dem Christentum und wendet sich gegen die Hybris des dogmatischen Marxismus, vor allem in der Eigentumsfrage und hier besonders auf dem agrarischen Sektor. Seit 1930 bis zur Emigration nach Hitlers Machtübernahme war er Herausgeber der Neuen Blätter für den Sozialismus, in denen er die zeitgenössische Wissenschaft kritisierte und vor der Wirtschaftsexpansion als Selbstzweck warnte. Seiner Forderung nach der Wendung von der kommerziellen zur kulturellen Produktion kommt in der Gegenwart immer beklemmendere Aktualität zu. Die ausgewählten Aufsätze erstrecken sich über den Zeitraum von 1927 bis 1966 und haben als historische Themen das Verhältnis vom Sozialismus zur Religion, Hegel und Marx, die Entwicklung der Nationalökonomie mit einer scharfen Kritik der Marxschen Arbeitswerttheorie und die Frage des Verhältnisses des „Mittelstandes“ zum Sozialismus, wo die Wider23) Franz Osterroth — Dietrich Schuster Chronik der deutschen Sozialdemokratie 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (ebenda 83). Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH, Berlin — Bad Godesberg 21975. 220 S. 24) Eduard H e i m a n n Sozialismus im Wandel der modernen Gesellschaft. Aufsätze zur Theorie und Praxis des Sozialismus. Ein Erinnerungshand. Hg. und eingeleitet von Heinz-Dietrich O r 11 i e b (ebenda 77). Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH, Berlin — Bad Godesberg 1975. XIV, 190 S.