Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)
NECK, Rudolf: Sammelreferat. Geschichte der Arbeiterbewegung
472 Literaturberichte Sprüche in der modernen Industriegesellschaft und die materialistischkommerzielle Behandlung der Überschußgüter kritisiert werden, zum Gegenstand. Ein weiterer Aufsatz beschäftigt sich mit den Ursprüngen des Nationalsozialismus als zeitgeschichtlicher Lehre und den geistesgeschichtlichen Wechselbeziehungen von rechtem und linkem Extremismus und deren klassenmäßigen Hintergründen. Durch einen Fund im Archiv des Foreign Office in London gelang Helmut Bley25) der Nachweis der überraschenden Tatsache, daß August Bebel bis 1913 mit Heinrich Angst, dem englischen Generalkonsul in Zürich, in geheimen Kontakten den Versuch unternahm, dem aufsteigenden Kriegsgespenst und Weltunheil zu steuern. Angst, von Beruf Seidenhändler und Antiquar, bekannt vor allem als Gründer und Direktor des Schweizer Landesmuseums, hat die Ansichten Bebels, die ihm in Briefen, meist aber in vertraulichen Gesprächen bekannt wurden, an das britische Außenministerium weitergeleitet. Das vorliegende Buch, das der frühere, inzwischen verstorbene deutsche Bundespräsident Heinemann mit einem Vorwort auszeichnete, erweist Bebel als einen echten Friedenspolitiker, wenn auch kaum als Patrioten im Sinne seiner engstirnigen Zeitgenossen. Er warnte die Engländer vor der deutschen Aggressivität und riet zu forcierter Flottenrüstung, um einem Krieg vorzubeugen, von dem er klar voraussah, daß ihn die deutschen Sozialdemokraten nicht verhindern würden können. In einem umfangreichen Dokumentenanhang werden die Quellen aus dem Public Record Office und der Zentralbibliothek Zürich in deutscher Sprache (d. h. also teilweise in Übersetzung aus dem Englischen) vorgelegt. Abschließend sei noch auf eine äußerst wichtige, umfangreiche Neuerscheinung von Susanne Miller hingewiesen 26). In einer auf überwältigend breiter Quellenbasis (u. a. auch aus dem Österreichischen Staatsarchiv) beruhenden Studie behandelt sie die Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg. Ausgehend von dem fatalen historischen 4. August 1914 mit der Zustimmung zum Krieg als dem entscheidenden Schritt von der Klassenpartei zur ministeriablen Volkspartei (mit allen Folgen für die SPD bis in unsere Gegenwart) schildert die Autorin alle tragischen Phasen des Spaltungsprozesses in den ersten Kriegsj ähren. Wenn auch internationale Einflüsse — etwa mit der Zimmerwalder Bewegung — zu verzeichnen sind, so handelt es sich dabei um eine spezifische Entwicklung innerhalb der deutschen Partei, wie etwa die Gründung der „Sozialen Arbeitsgemeinschaft“ durch die Linken und der sogenannte „Vorwärts“-Raub durch den Parteivorstand mit Hilfe der militärischen Stellen zeigen. Der offene Bruch im Jänner 1917 und der Gründungsparteitag der USPD in Gotha zu Ostern desselben Jahres schaffen 25) Helmut Bley Bebel und die Strategie der Kriegsverhütung 1904—-1913. Eine Studie über Bebels Geheimkontakte mit der britischen Regierung und Edition der Dokumente (Sammlung Vandenhoeck). Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1975. 254 S. 26) Susanne Miller Burgfrieden und Klassenkampf. Die deutsche Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 53). Droste Verlag, Düsseldorf 1974. 440 S.