Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

LAUBACH, Ernst: Karl V., Ferdinand I. und die Nachfolge im Reich

20 Ernst Laubach Karl über die durch die Entscheidung von Mohács entstandene Situa­tion und die von ihm getroffenen und beabsichtigten Maßnahmen wies er darauf hin, der König von Böhmen sei „le premier electeur“, und er­suchte darum, ihn umgehend mit diesem „erledigten Reichslehen“ zu be­lehnen, damit er sich leichter gegen seine Konkurrenten durchsetzen könne98 99). Der Vorteil, selbst Mitglied des Kurfürstenkollegiums zu wer­den, gewann noch an Gewicht, wenn man berücksichtigte, daß seit ge­raumer Zeit immer wieder von Projekten die Rede war, die auf die Wahl eines anderen Römischen Königs hinzielten, und daß diejenigen, die bei diesen Umtrieben eine Hauptrolle spielten, nun auch als Mitbewerber um die böhmische Krone auftraten: die Herzoge von Bayern "). Bei einem Erfolg in Böhmen hätten sie der Position der Habsburger im Reich recht gefährlich werden können 10°). Doch gibt es in Ferdinands Korrespondenz und den Instruktionen für seine Unterhändler in Böhmen keine Anzei­chen, daß er eine Gefahr von seiten Bayerns gesehen hätte und ihre Ab­wehr ein zusätzliches Motiv seiner Bemühungen gewesen wäre 101). Durch selbständiges Handeln bei offizieller Wahrung der Prärogative Karls hatte Ferdinand so immerhin etliche Erfolge zu verzeichnen, die im Reich den Weg zu seiner Wahl ebnen helfen konnten. Eine Begegnung mit dem Kurfürsten von Brandenburg, der von dem neuen Herrn Böh­mens einige Lehen zu nehmen hatte, wurde von beiden habsburgischen Brüdern recht positiv beurteilt102). Im übrigen tritt in der Korrespon­denz zwischen Karl und Ferdinand die Wahlfrage seit 1527 hinter anderen brennenden Problemen — Ausbreitung der Lutheraner, Notwendigkeit eines Konzils, Offensive der Türken — weit zurück. Hinsichtlich der Kaiserkrönung Karls hatten sich hingegen lange keine Fortschritte ergeben. Trotz aller glaubwürdigen Versicherungen vom spa­nischen Hof, wie sehr Karl selbst seine baldige Reise wünsche 103), trotz allen Drängens auch des Großkanzlers Gattinara 104) hatten bisher stets die Kräfte, die gegen die Reise Karls arbeiteten, die Oberhand behal­»8) 1526 September 22 (Korr. 1 462). Karl hatte Bedenken, weil Böhmen vom Reich exemt sei (ebenda 489). Die Anregung wurde durch die rasche Wahl Ferdinands überholt. 99) Dazu Pölnitz Fugger und Wahl 319 f; Riezler Baiern 4 204—209. iw)) Dazu trefflich Baumgarten Karl V. 2 576. 191) Er scheint relativ spät von der bayerischen Kandidatur erfahren zu haben, wohl erst aus dem Bericht seiner Gesandten vom 30. September 1526 (vgl. Bucholtz Ferdinand I. 2 407 Anm.); in seinem Brief an Karl vom 22. September (s. Anm. 98) erwähnt er sie noch nicht. Die Instruktion für seine Wahlgesandtschaft referiert Rezek Ferdinand in Böhmen 19 f. 102) Korr. 2 102. — Otto H i n t z e Die Hohenzollern und ihr Werk (Berlin 1915) 122. 103) Dazu neben mehreren Briefen Karls auch Berichte von Salinas (R o d r i- guezVilla El emperador 270, 317). 104) vgi. sein Gutachten vom Juli 1526 bei Bornate Historia vite 496 ff; dazu Brandi Karl V. 2 175.

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