Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

LAUBACH, Ernst: Karl V., Ferdinand I. und die Nachfolge im Reich

Karl V., Ferdinand I. und die Nachfolge im Reich 19 den, weil es nicht zwei Römische Könige nebeneinander geben könne. Ferdinand beteuerte in seiner Antwort, er habe von der Gutwilligkeit der Kurfürsten berichtet, um den Bruder auf dem laufenden zu halten und in Einklang mit seinen Absichten zu bleiben, nicht um zu drän­gen 91). Als Karl Ferdinands Kontakte mit den geistlichen Kurfürsten sanktio­nierte 92), wußte er noch nicht, wie erfolgreich dessen Bemühungen um eine weitere Verstärkung seiner Position durch Erwerb der Kronen von Böhmen und Ungarn verlaufen waren93). Trotz der kritischen Lage, in der sich Ungarn nach dem Siege der Türken bei Mohács befand, war Ferdinand, sobald er sichere Nachricht vom Schlachtentod Ludwigs II. hatte, fest entschlossen, das ganze Erbe seines Schwagers anzutreten94). Wichtiger als die Begründung seines Anspruches mit habsburgisch-jagiel- lonischen Erbverträgen und dem Erbrecht seiner Gemahlin Anna95 96) ist hier die Art, wie Ferdinand diese Erweiterung seines Herrschaftsbereiches der großen Aufgabe zuordnete, die das Haus Österreich mit Karls Kaiser­tum übernommen hatte: Recht und politische Vernunft („droit et raison“) erforderten den Anfall beider Königreiche an ihr Haus, damit „le bien et augmentacion de la chrestienté et conservation de nostre foi catho- lique“ noch besser gefördert werden könnten98). Seine eigene Funktion im Rahmen dieser Aufgabe umschrieb Ferdinand an Karl: „... que je vous puise tant mieulx ayder á devenir et demourer grant empereur, comme graces á dieu etes, et ... que notre maison leur [den Feinden des Hauses] sóit trop grande ...“ 97). Von besonderem Wert für die künftige Position der Habsburger im Reich — und für ihre Nachfolgepläne! — war natürlich der mit der böh­mischen Krone verbundene Besitz einer Kurstimme, und dieses Sach­verhaltes war sich Ferdinand durchaus bewußt. In seinem Bericht an 91) 1527 März 14: Korr. 2: Familienkorrespondenz 1527—1530, bearb. von Wilhelm Bauer und Robert Lacroix (Wien 1937—1938) 35. 92) Die Abmachung mit dem Kurfürsten von Trier hat er in einem Schrei­ben an denselben gutgeheißen. Vgl. Korr. 1 498 und Rettberg Studien 74. 93) Karls Informationsstand ergibt sich aus Korr. 1 486—492: an Ferdinand, 1526 November 23/30. Ferdinand wurde am 23. Oktober 1526 zum König von Böhmen gewählt. 94) Seine ersten Maßnahmen hat er gleich nach Erhalt der Nachricht von der Niederlage getroffen. Vgl. Stanislaus S m o 1 k a Ferdinands des Ersten Be­mühungen um die Krone von Ungarn in AÖG 57 (1879) 20 Anm. 1; Anton Rezek Geschichte der Regierung Ferdinands 1. in Böhmen (Prag 1878) 18. 95) Zur Problematik der Grundlagen, auf die Ferdinand sein Ansprüche stützen wollte, vgl. Rezek Ferdinand in Böhmen 17—20; Turba Thron­folgerecht 271—281. 96) Ferdinand an Karl, 1526 Oktober 28 (Korr. 1 484); an Maria, 1526 Sep­tember 9 (ebenda 445 f). Vgl. auch den bei P ö 1 n i t z Anton Fugger 1 82 wieder­gegebenen Brief Ferdinands. 97) 1527 Mai 31 (Korr. 2 87 f). 2*

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