Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)
CORETH, Anna: Richard Blaas zum 60. Geburtstag
544 Literaturberichte bergs nur begrüßen. Seit Adolf Helboks Geschichte Vorarlbergs von der Urzeit bis zur Gegenwart, erschienen 1927, sind immerhin mehr als vierzig Jahre verstrichen, die eine Fülle neuer Ergebnisse der Forschung gebracht haben, so daß auch schon von diesem Gesichtspunkte aus die Publikation einer Geschichte Vorarlbergs mehr als gerechtfertigt erscheint. Der erste, zeitlich bis 1300 reichende Band führt weit zurück in die vorgeschichtliche und geschichtliche Vergangenheit des Raumes, der das heutige Bundesland Vorarlberg ausmacht. Am Anfang stand der Staat der Räter, eines Keltenstammes, der 15 n. Chr. dem Römischen Reich einverleibt wurde. Die im Anschluß an die Eingliederung Rätiens ins Römische Reich einsetzende Romanisierung führte zur Ausbildung einer spezifischen Sprache und Kultur, die sich bis ins Hochmittelalter trotz fränkischer Herrschaft behauptete. Der Prozeß der mittelalterlichen Territorienbildung wurde in Rätien und im Gebiet um den Bodensee durch die Schwäche bzw. das Fehlen einer herzoglichen Gewalt begünstigt. Er ist aber auch eng mit den Ulrichen, den Grafen von Bregenz, verknüpft, die von 920—1150 ein von der Höhe der Alpen über den Bodensee bis weit in das Alpenvorland hinausreichendes Territorium aufbauten. Nach dem Erlöschen der Ulriche und ihrer pfullendorfischen Nebenlinie traten die nach der Hauptburg des Geschlechts in Unterrätien, Montfort, genannten Mont- forter das Erbe der Ulriche an. Wie einst die Ulriche, die die Partei Gregors VII. und des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden ergriffen hatten, waren auch die Montforter in die politischen Konstellationen im Südwesten des Reiches verflochten. Sie standen nach dem Interregnum auf Seite der Gegner des römischen Königs Rudolf I., der wie im Osten auch in diesem Raum eine Politik der Revindikation des Reichsgutes betrieb und von den Montfortern den Bregenzerwald und den Reichshof Lustenau ein forderte. In der Schlacht bei Göllheim standen die Montforter und die ihnen nahe verwandten Werdenberger in zwei gegnerischen Lagern einander feindlich gegenüber. Außer mit der politischen Struktur, der Herrschaftsbildung und den politischen Verflechtungen dieser territorialen Gewalten befaßte sich B. sehr eingehend mit den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen dieses Raumes, der zu einem Teil aus Altsiedelland bestand und zum andern Teil erst durch hochmittelalterliche Siedlung erschlossen wurde. Auch hier ist zu beobachten, wie sich Freie in den abgeschlossenen Tälern erhielten und wie eng das Problem der Freiheit mit der Neusiedlung verknüpft war. Verhältnismäßig spät kam es zu Städtegründungen, wenn auch, wie im Falle von Bregenz, Kontinuität der Siedlung zu beobachten war. An Adeligen gab es außer den Territorialherren selbst nur einige Ministerialengeschlechter, an bekannten Klöstern nur Andelsbach und das bedeutendere Mehrerau. Aus den Ausführungen des Vf.s, dem eine stattliche Reihe von Arbeiten eine profunde Kenntnis der Geschichte seines Heimatlandes attestiert, gewinnt man ein sehr deutliches Bild der Frühgeschichte Vorarlbergs, das erst im 14. Jahrhundert mit den österreichischen Ländern in Berührung und dauernde politische Bindung geriet. Anna Hedwig B e n n a (Wien)