Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

GÖRLICH, Ernst Joseph: Ein Katholik gegen Dollfuß-Österreich. Das Tagebuch des Sozialreformers Anton Orel

398 Ernst Joseph Görlich (26) Dr. Weder-Eohrschach besuchte ich am 15. Dezember 1936. Er schilderte mir die jämmerlichen Ver­hältnisse im Schweizer Episkopat, insbesonders die traurige Gestalt des Bi­schofs Scheiwiler von St. Gallen, der jedem, der zu ihm komme, recht gebe, be­ständig von der einen zur anderen Seite wanke und falle, fortwährend schwätze, aber nichts tue und über das Niveau eines Gewerkschaftssekretärs, der er früher war, nicht hinausgekommen sei. (27) Dr. Rudolf — Orel — Seipel. Mitte Jänner 1937 erzählte mir Koutny von seiner letzten Unterredung mit Dr. Karl Rudolf, dem Leiter des Wiener Seelsorgeinstitutes. Rudolf klagte: „Wir haben keine Köpfe!“ Später sagte er: „Der Orel wäre ein Kopf — aber warum hat er sich nicht durchgesetzt? Der Seipel hat sich durchgesetzt!“ (28) Ein unmöglicher Mensch. Nach der Vorstandssitzung des sogenannten „Antisemitenbundes“ am 22. Jänner 1937 nahm mich der geschäftsführende Obmann Peter zur Seite und sagte mir: „Haben Sie einen Konflikt mit der Vaterländischen Front?“ Ich: „Nein — warum?“ Peter: „Dort sagte man mir: ,Der Orel ist doch ein unmög­licher Mensch“ usw.“ Der das gesagt hat, war offenbar der tatsächlich Geschäftsführende der Lei­tung, die Zernatto nur formell leitet: Dr. Hantsch. So weht der Wind aus dem Rathaus, wo der „Landesführer“ Schmitz thront. (29) Riefler — Freie Arbeiterstimme. Am 12. Februar 1937 sprach ich mit Riefler. Er meinte, der Zusammen­bruch sei schon da. Er sehe die einzige politische Möglichkeit in der Monarchie. Sie könnte den geistigen Druck beseitigen und der sozialen Befriedigung die Wege ebnen. (30) Dr. Sigismund Guggenberger. Der Leiter der Abteilung „Männer“ der katholischen Aktion der Erz­diözese Wien hielt am 14. Februar 37 in der Versammlung der katholischen Aktion einen Bierplausch. Glanzpunkt: „Bei einer Stö(l) schnappt die G’schicht’ üba ...“. Im Schlußwort: „Ich greife nicht in ein Wespennest“. Diese Versamm­lung veranlaßte mich zum Besuch des Pfarrers Waurisch(?). (31) Versuch, die katholische „Passion“ in eine katholisch­soziale „Volksaktion“ zu wandeln. Am 15. II. bei Pfarrer Waurisch (Döbling), geringer, zweifelhafter Erfolg. 5./19. II. über Einladung Pfarrer Dolezal in Pottendorf zwei Versammlungen. Am 25. II. Vormittag: Besprechung mit P. Boegle. Hinauswurf im Bogen, „ausgeschlossen“ bei Pfarrer Haas in Gersthof, dagegen Nachmittag guten Er­folg bei Pfarrer Rademaker (Hl. Geist, Ottakring), Dr. Müller, Hasnerstraße 11, Pfarrer Schmid, Neulerchenfeld. Am 27. II. bei Dr. Gorbach: Dr. Ludwig gestorben. Am 1. III. bei Pfarrer Angeli, Jedlesee. Am 2. III. erhalte ich den Brief von Pfarrer Leopold Schmid, St. Rochus. Ich suche ihn am 3. III. auf und er weist mich an Dr. Alt. (32) Pfarrer Roczek, Grinzing, sagt mir am 2. III. 1937, die katholische Aktion sei arbeitsunfähig infolge der Abhängigkeit ihrer Leitung von der Regierung. Engelhart sei als Bundes­

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