Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

GÖRLICH, Ernst Joseph: Ein Katholik gegen Dollfuß-Österreich. Das Tagebuch des Sozialreformers Anton Orel

Tagebuch Orel 379 Auf parlamentarischem Boden war einer der engsten Mitarbeitr Orels der slowenische Reichsratsabgeordnete und Führer der slowenischen Landarbeiter und Kleinbauern, Dr. Janez Baptist Krek 8). Zu Beginn des Ersten Weltkrieges zählten die deutschsprachigen Jugendorganisationen der Orel-Bewegung 171 Vereine mit 5938 Mitgliedern. Mit ihnen vereinigt waren tschechische Jugendverbände mit insgesamt über 25.000 Mitglie­dern. Der Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie stellte Orel vor neue Probleme. Ein Versuch, wieder in der Christlichsozialen Partei und in den offiziellen Katholikenorganisationen Fuß zu fassen, miß­lang. Der neue Kardinal-Erzbischof von Wien, Dr. Friedrich Gustav Piffl, war sein entschiedener Gegner 9). So gründete Orel am 16. November 1918 die „Deutschösterreichische Volkspartei“, die zwar formal nicht monar­chistisch war, aber praktisch die Wiederherstellung des Habsburgerreiches erstrebte. Das Organ der jungen Partei wurde das Wochenblatt Der Volkssturm. Die „Deutschösterreichische Volkspartei“ hatte bei den Wah­len keine Erfolge. Am 16. Februar 1919 errang sie 1645 Stimmen (= 0,17%), am 17. Oktober 1920, als sie unter dem Namen „Christlich­nationale Einheitsliste“ mit Anton Orel als Listenführer in den Wahl­kampf zog, gelang es ihr, immerhin 4558 (= 0,49%) Stimmen auf sich zu vereinen. Die „Deutschösterreichische Volkspartei“ wurde nach diesen beiden vergeblichen Versuchen, in den Nationalrat einzuziehen, am 19. Februar 1922 freiwillig aufgelöst. Anton Orel und einer seiner engsten Mitarbeiter, Franz Stöger, wurden dafür 1923 mit je einem Sitz im Wiener Gemeinde­rat belohnt (Orel in Wien-Währing, Stöger in Wien-Wieden). Zur weiteren Propagierung der eigenen Ideen gründete Orel 1923 den noch heute bestehenden Karl-Vogelsang-Bund. Franz Stöger konnte sich in der Christlichsozialen Partei behaupten und brachte es nach 1945 bis zum Bezirksvorsteher des Bezirkes Wien-Wieden. Orel selbst fügte sich in die Parteilinie nicht ein und wurde am 30. Oktober 1924 wieder aus der Christlichsozialen Partei ausgeschlossen. Ein Versuch, gegen den Willen der Parteileitung durch Appell an seine Wähler das Gemeinderatmandat zu behaupten, scheiterte. Das Ausscheiden Orels aus dem Gemeinderat bedeutete das Ende seines Versuches, in der aktiven Politik Fuß zu fassen. Er wandte seine Kräfte nunmehr der Gestaltung seines großen Werkes, der Oeconomia Perennis, 8) Über Krek (1865—1917) vgl. die Kurzbiographie von Method Mikul (Ljubljana) in Enciklopedije Jugoslavije 5 (Zagreb 1962) Sp. 391, wo Dr. Krek als Führer des ländlichen Proletariates bezeichnet wird. ») Vgl. darüber die (parteiisch gehaltene) Arbeit von Gerhard Schultes Der Reichsbund der katholischen deutschen Jugend Österreichs (Wien 1967); Orels Anschauungen über den Konflikt in Fünf Jahrzehnte Wiener Periode 1. Kapitel.

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