Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky

WOHLGEMUTH, Edith: Aus Briefen Carl Baron Torresanis

Aus Briefen Carl Baron Torresanis 471 darstellen, dazu bin ich zu sehr Sohn meiner Zeit; das Gefühl meiner eigenen Schwächen, der Schwächen, welche ich täglich und stündlich an anderen beob­achte, empört sich gegen die Bildung vollkommener Geschöpfe; und so entste­hen meine Gestalten, Typen, die ich, ohne zu wollen, lächerlich mache, während ich ihre Contouren mit der Absicht begonnen habe, sie mit allen Vorzügen auszustatten. Ich arbeite also so zu sagen gegen meinen eigenen Willen. Wenn das nicht künstlerisch ist — echt ist es jedenfalls; und Aufrichtigkeit ist vielleicht mein einziger Vorzug“ 21). Eben darum wollte er ernst genommen werden und empfand die ihm nach seinen ersten Werken zuteil gewordene Klassifizierung als „flotter Humoreskenschreiber“ 22) sehr bitter. „... Wenn mir Jemand über einen meiner Romane sagt: Er hat mich riesig amüsirt, so ärgere ich mich blau und gelb, denn ich hatte Höheres bezweckt und angestrebt“ 23). Die gleiche Erfahrung des endgültig Abgestempeltseins war ihm auch auf dem Gebiet von Sprache und Komposition aufgenötigt worden, da Trägheit und Gedankenlosigkeit der lieben Kollegen — mit Ausnahmen freilich —24) sich kaum die Mühe machten, Fortschritt und Weiterent­wicklung anzuerkennen 25 26). Nach Erscheinen des Buches Von der Wasser- bis zur Feuertaufe (1900) war ihm wieder einmal saloppe und nachlässige Ausdrucksweise vorgeworfen worden. Daraufhin versicherte er Sosnosky, „...daß kein Buch je mehr und sorgfältiger gefeilt worden ist, als dieses; daß ich es Satz für Satz durchgehen kann, ohne daß ich auf eine Schlamperei stoße ... Ich werde ... den Vorwurf stylistischer Nachlässigkeit eben so wenig je los werden, als die Classificirung als ,Humoreskenmacher‘; und ich dürfte mein Buch durch die Gebrüder Grimm corrigiren lassen, gewisse Leute werden es doch ,schlampert‘ geschrieben finden“ 20). Da konnte er bei Sosnosky schon mit einer anderen Haltung rechnen: ......Ihr Brief hat mir wieder einmal bewiesen, daß Sie der denkbarst frei­m üthige Chrakter sind; ein Mann, der mit seiner Überzeugung nicht paktirt, und wenn sie ihm auch unbequem, ja peinlich ist. Über dem Vergnügen, wel­ches mir diese Bestätigung einer längst gehegten Meinung bereitet, tritt die Ent­täuschung in den Hintergrund, welche Ihr Urtheil über mein neues Buch mir verursachen mußte. Ich muß mir übrigens sagen, daß Ihre Meinung über die .Steirischen Schlösser“ jedenfalls begründet sein muß; daß der Autor über sein eigenes Buch incompetent ist und einem verständigen und wohlwollenden Freunde glauben muß, auch wenn er Unangenehmes sagt. Ich muß mir sagen, daß ich wahrscheinlich ausgeschrieben bin ..27). Eine unmittelbare Beeinflussung durch Sosnosky darf jedoch nicht angenommen werden. Das bezeugen die Umstände beim Erscheinen des 21) Montreux, 1893 November 15. 22) Graz, 1900 Jänner 6. 23) Graz, 1899 November 27.-*) Z. B. M a r x und Werner (wie Anm. 3). 23) Hermann Bahr Studien zur Kritik der Moderne (Frankfurt/M. 1894) 80 f. 26) Graz, 1900 Jänner 16. 27) Meran, 1897 Oktober 5.

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