Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky
WIESFLECKER, Hermann: Das älteste russische Originaldokument in Österreich?
Das älteste russische Originaldokument in Österreich? 147 Hofkirche und die Haltung eines orthodoxen Hofgeistlichen, womit die Heiratsverhandlungen vorerst abgetan waren. Beide Teile versicherten einander, daß die Bündnisverhandlungen mit der Heirat nichts zu tun hätten. Daß sich der Großfürst zum Kriegsbündnis so rasch bereit fand, hatte seinen Grund nur im russischen Sicherheitsbedürfnis gegenüber einem unmittelbar drohenden Grenzkrieg von seiten Polens oder Litauens. Rasch ließ Ivan III. die Bündnisurkunde fertigstellen 22 23) und siegeln, ohne den Gesandten Thurn überhaupt beizuziehen 2S). Dieser Moskauer Vertrag vom 16. August 1490 bestimmte, daß Ivan III. und Maximilian I. sich auf Lebenszeit zu gemeinsamem Kampf gegen Kasimir von Polen und die gesamte Macht der Jagiellonen verbinden wollten. Vor allem versprach Ivan III., den Römischen König bei der Erwerbung Ungarns zu unterstützen; umgekehrt sollte Maximilian die Jagiellonen binden, wenn Ivan III. sein „Erbland“, das Großfürstentum Kiew, sich einverleibe. Von einer Heirat oder einer Kriegshilfe gegen Frankreich war im Vertrag nicht mehr die Rede. Das offenbar prächtige russische Original dieses Moskauer Vertrages vom 16. August 1490, das auf Pergament geschrieben und mit einem goldenen Siegel24) bestätigt war, des ersten Vertragswerkes, das ein Römischer König mit dem Großfürsten von Moskau auf diese Weise geschlossen hatte, ist in den kaiserlichen und österreichischen Archiven leider verlorengegangen, während sich das gleichzeitig ausgefertigte unscheinbare Kredenzschreiben für die Gesandten Jurij Trachaniot und Vasilij Kulesin durch Zufall erhalten hat. Wie so oft blieb auch hier eine unbedeutende diplomatische Nebenakte erhalten, während die viel wichtigere Haupturkunde verlorenging. Das Original des Vertrages mit seinem russischen Goldsiegel hat einen wohl hochmögenden Liebhaber offenbar so interessiert, daß er es für sich allein zu besitzen wünschte. Der Text dieser interessanten Vertragsurkunde ist uns nur aus einer deutschen Übersetzung in den Reichsregisterbüchern des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs 25) überliefert. Daneben existiert auch die russische Register22) Volltext der Urkunde von 1490 August 16 Moskau: (Denkmäler) 1/1, 37 f; der deutsche Volltext des Vertrages bei Lichnowsky 8, DCCLII n. IX; Firnhaber n. 12; Lichnowsky 8, Regest 1425; ein deutscher Volltext in Wien Haus-, Hof- und Staatsarchiv Reichsregisterbücher FF fol. 61 ff (die Gegenurkunde dazu fol. 60). Vgl. dazu Übersberger 1, 18ff, 22ff; Karge 264ff, 271; Ulmann 1, 91; Stoy 9; Bazilevic 266ff; Fennell 124f; Höflechner 1, 132. 23) Übersberger 1, 23 f;Leipold 12 f. 24) (Denkmäler) 1/1, 50 ff. 23) Deutscher Volltext in Wien HHStA Reichsregisterbücher FF fol. 61 ff. — Das große Entgegenkommen des Direktors des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien, Hofrat Dr. R. Blaas, und aller Beamten sei in diesem Zusammenhang dankbar hervorgehoben. 10*