Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

SCHMID, Georg E.: Die Coolidge-Mission in Österreich 1919. Zur Österreichpolitik der USA während der Pariser Friedenskonferenz

434 Georg E. Schmid henden Problemen bestens vertraut waren. Bereits im Laufe des Herbstes 1317 war es dem Vertrauten Präsident Wilsons, Edward M. House, gelun­gen, Fachwissenschaftier der verschiedensten Wissenschaftszweige für die Mitarbeit in der Inquiry zu gewinnen, deren führende Köpfe Sidney E. Mezes (wissenschaftlicher Leiter der Organisation), David H. Miller (Exper­te für Rechtsfragen) und Walter Lippman waren. Der Stab der Inquiry, dessen Überwachung House oblag, der auch die Verbindung zu Wilson herstellte, setzte sich im wesentlichen aus Universitätsprofessoren zusam­men, die die Aufgabe hatten, nicht nur Friedensprogramme der USA zu entwerfen, sondern auch alle jene Probleme zu studieren, die in irgend­einer Form auf der kommenden Friedenskonferenz zur Sprache kommen könnten. Ein beachtlicher Teil der Memoranden dieser bis dahin größten Nach- kriegsplanungs-Organisation beschäftigte sich mit Österreich-Ungarn und lief im wesentlichen darauf hinaus, sich zur Schwächung der Donaumonar­chie der nationalistischen Aspirationen der slawischen Völker zu bedienen. Dabei wurde jedoch keineswegs an eine Zerstörung gedacht, da sich in diesem Fall die Wilsonschen Ideale mit dem Weiterbestand der Habsbur­germonarchie gut vertrugen: Wilsons Interesse lief vor allem auf ein demokratisch-föderalisiertes Österreich-Ungarn hinaus, das letztlich eine politische Loslösung von der Domination durch das Deutsche Reich bedeu­ten mußte, worin ja gerade das Hauptziel der US-Politik im Ersten Welt­krieg zu erblicken ist. Schon Ende Dezember 1917 hatte die Inquiry ein großangelegtes Memorandum ausgearbeitet2), in dem für die US-Politik gegenüber Österreich-Ungarn empfohlen wurde: „Our policy must ... consist first in a stirring up of nationalist discontent, and then in refusing to accept the extreme logic of this discontent, which would be the dismemberment of Austria-Hungary“ 3). Das Programm der gewünschten Loslösung Wiens von Berlin kam auch hier deutlich zum Ausdruck: „By threatening the present German-Magyar combination with nationalist uprisings on the one side, and by showing it a mode of safety on the other, its resistance would be reduced to a minimum, and the motive to an independence from Berlin in foreign affairs would be enormously accelerated“ 4). 2) Es handelt sich um ein mit 1917 Dezember 22 datiertes Memorandum, das noch überarbeitet wurde und — datiert mit 1918 Jänner 2 — schließlich Präsi­dent Wilson vorgelegt wurde. Der Titel der revidierten Form war „A Sugge­sted Statement of Peace Terms.“ Vgl. Papers Relating to the Foreign Relations of the United States (zit.: FR), The Paris Peace Conference 1919 (13 Bde, Washington, D. C. 1942—1947) (zit.: PPC) 2, 41—53. Vgl. auch Gelfand Inquiry 136. 3) Aus dem in Anm. 2 zitierten Memorandum: FR PPC 2, 45. 4) Ebenda.

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