Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

GASSER, Peter: Triestiner Handel vor 1790. „Corpo Mercantile“, die Anfänge der Handelsbörse und die Opposition Fiumes

248 Peter Gasser Dem Notar oblag schließlich auch die Betreuung des Börsenarchivs und die Führung der Sitzungsprotokolle (Art. XXXI). Für jeden sichtbar waren in der Börse die Namen der bevollmächtigten Makler (sensali) zu affichieren. Die Sensale hatten während der Börsestunden anwesend zu sein. Säumige sollten von der Börsendirektion ermahnt und, wenn rückfällig, der Intendenza gemel­det werden, die ihnen nach vorgenommener Untersuchung das Sensalpatent entziehen konnte („privarli dei libro d’sensali...“ Art. XXXII—XXXV). Jedem Händler, Schiffskapitän oder Reeder stand es frei, unverbindlich Listen und Kaufpreis der von ihm vertriebenen Waren bzw. die für Seetransporte gefor­derten Tarife an der Börse zu affichieren (Art. XXXVI—XXXIX). Bezeichnend für die vom Monarchen der Börse zugedachte privilegierte Stellung war die Tatsache, daß in ihrem Areal Organe der öffentlichen Sicher­heit nur mit Einwilligung des Börsedirektors Verhaftungen vornehmen durften. In den letzten zehn Artikeln wurde das bei der Wahl — der Ausdruck Selektion scheint hier angebrachter — des Börsedirektors und Vizedirektors einzuschlagende Verfahren festgehalten. Der Corpo Mercantile sollte alljährlich in der ersten Septemberwoche zur Wahl der Börsedirektion zusammentreten. Die Auslese sollte unter den christlichen Negozianten nach dem Ballotageprinzip vorgenommen werden. Händler jüdischer Konfession waren demnach nicht wähl­bar. Die sechs Negozianti, die die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnten, wurden vom Corpo Mercantile der Intendenza präsentiert, die nach ihrem Er­messen aus dieser Gruppe dann den Direktor und Vizedirektor der Börse ernannte. In Abwesenheit des Direktors standen dem Vizedirektor alle Rechte und Befugnisse des ersteren zu, ansonsten hatte er keine, wie immer geartete Funktion zu erfüllen. Da gemäß der Börseordnung der Vizedirektor in der Regel den Direktor nach einem Jahr ablösen sollte ( ......nell anno susseguente suben­tr erä nel carattere e funzioni di effetivo Direttore ...“), war in der Folgezeit für eine gewisse Kontinuität in der Börseleitung insoferne gesorgt, als dann aus der vom Corpo Mercantile vorgeschlagenen Sechsergruppe von Negozianti die Intendenza alljährlich nur den Vizedirektor zu ernennen brauchte. Die Inten­denza hatte alljährlich dem Herrscher den Tätigkeitsbericht der Börsedirektion vorzulegen. Bei Mißständen in der Börseverwaltung konnte die Intendenza den Direktor und Vizedirektor absetzen und ex offo die Ernennung ihr geeignet erscheinender Elemente vornehmen. Als organische Vereinigung der Großkaufleute, sowie als sichtbarer Representant des Triestiner Handels überhaupt sollte diese Börse, wie schon gesagt, nicht nur zur Vollziehung behördlicher Weisungen, sondern auch als Informatorin und Beraterin der amtlichen Stellen auf dem mer­kantilen Sektor herangezogen werden. Die mit der Gründung der Han­delsbörse am 19. Juni 1755 eingeleitete, neue merkantile Ära Triests fand ihren Abschluß durch den Nuovo regolamento di borsa vom 2. Juli 1804, der auf Grund der gewonnenen Erfahrungen, unter präziser Formulierung ihrer Statuten, die Börse den gegebenen Anforderungen anpaßte. Unter den Triestiner Kaufleuten nahmen von Anfang an fünfzehn Großhändler als sog. „börsenmäßige Handelsleute“ eine bevorzugte Posi­tion ein, die auch von der am 19. Jänner 1758 neuredigierten Handlungs­und Fallitenordnung gefestigt wurde. So genossen diese Negozianti u. a. auch das „Privilegium Fori“ d. h. das Recht, sich in Streitfällen zunächst nur vor dem Merkantilgericht verantworten zu müssen, sowie die Be­günstigung, daß ihnen landesfürstliche Verordnungen „ad personam“

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