Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)
GASSER, Peter: Triestiner Handel vor 1790. „Corpo Mercantile“, die Anfänge der Handelsbörse und die Opposition Fiumes
Triestiner Handel vor 1790 247 pien in dankenswerter Weise der vorliegenden Untersuchung zur Verfügung gestellt. Es wäre müßig, jeden einzelnen der 56 Artikel ausführlich zu kommentieren, zumal ein erheblicher Teil nur Routinefragen, wie räumliche Disposition, Geschäftszeiten, Obliegenheiten des Börsendieners (fante di borsa) und dergleichen mehr behandeln. Es werden daher nur die wichtigsten dieser Artikel erläutert. In den einschlägigen Akten jener Jahre wird der Begriff „Corpo Mercantile“ immer wieder in Verbindung mit der Börse gebracht. Handelsstand oder gar Handelskammer ist in diesem Falle keine sinngemäße Übersetzung. Doch wird man bei aufmerksamer Interpretation der Börseordnung „Corpo Mercantile“ und Börse irgendwie doch als Einheit auf fassen müssen — denn sinnlos wäre ja eine Handelsbörse ohne die ihr von der Handelswelt übertragenen Aufgaben gewesen. Aufgaben, die wiederum nur vor ihrem Forum überprüft, beraten und in vielen Fällen auch zur Zufriedenheit gelöst worden sind. Artikel V der Börsenordnung besagt, daß in den Sitzungen des Corpo Mercantile nur die sogen. „Negozianti“ über Sitz und Stimme verfügten. Unter „Negozianti“ waren, gemäß Artikel VI, alle Direktoren, Gesellschafter und Komplementäre der in Triest bestehenden und beim dortigen Merkantilgericht angemeldeten Firmen oder Handelshäuser, die sich nur mit Großhandel befaßten, zu verstehen („Ditta, che non tenga fondaco o bottega, e non venda a taglio e misura ...“). In der Folge wurde für diese „Negozianti“ die zutreffende Bezeichnung „börsenmäßige Kauf- oder Handelsleute“ geprägt. In den Sitzungen des Corpo Mercantile war für eine und dieselbe Firma bzw. Handelshaus nur einer der Direktoren, Gesellschafter oder Komplementäre sitz- und stimmberechtigt. Im Behinderungsfalle konnte sich dieser von einem anderen „Negoziante“ seines Handelshauses bei den Abstimmungen vertreten lassen (Art. VII und VIII). Untersagt war jedoch eine gegenseitige Vertretung zwischen Negozianti verschiedener Firmen, da in diesen, im Rahmen der Börse abgehaltenen Sessionen eine Person nicht über zwei Stimmen verfügen durfte (Art. IX und X). In diesen allwöchentlich abzuhaltenden Sitzungen sollten gemäß Art. XV der Börsenordnung allgemeine Probleme der Kaufmannschaft, der Schiffahrt und der Börsenadministration besprochen und darüber nach Stimmenmehrheit Entscheidungen getroffen, obrigkeitliche Orders entgegengenommen und über allfällige, an die Intendenza und in der Folge an den Gouverneur vorzubringende Beschwerden (rimonstranze) Beschlüsse gefaßt werden. Die Börsedirektion konnte (Art. XVI), falls sie es für ratsam und notwendig befinden sollte, den Corpo Mercantile jederzeit zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen („.. .quando dal Direttore della Borsa ne fosse conosciuta la necessitä o la convenienza ...“). Wie an übrigen Handelsplätzen üblich, blieb auch in Triest der Zutritt zur Börse den Frauen und dem niederen Volke („... il basso e minuto popolo“) untersagt (Art. XXII). An den Sitzungen des Corpo Mercantile nahmen nur die jeweils sitz- und stimmberechtigten Negozianti teil (Art. XXIV). Sie hatten nach Stimmenmehrheit einen Notar zu wählen, der in einem eigenen Raum der Börse den Kaufleuten seine einschlägigen Dienste zur Verfügung stellen sollte (Art. XXVII und XXVIII).