Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

STAUDINGER, Anton: Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei in Österreich (1930–33)

Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei 373 obmann angetragen 241). Gewählt wurde aber Vaugoin, während Dollfuß nicht einmal in die Bundesparteileitung aufgenommen wurde 242 243). Da Vaugoin nicht nur die vom Parteitag beschlossene Mitgliederwer­bung für die Christlichsoziale Partei im Juni 1933 durchführte, sondern entgegen der auf Ausbau der Vaterländischen Front gerichteten Politik Dollfuß’ auch noch nach der am 11. September öffentlich verkündeten Abkehr vom Parteienstaat24s) die Werbekampagne für die Partei im Herbst 1933 wiederholen wollte 244), entschied sich Dollfuß zum Verzicht auf die Mitarbeit Vaugoins in der Regierung 245). Dies blieb Vaugoin trotz mancher Hinweise unbekannt. Schon im August war in Tiroler Heimwehrkreisen über ein Ausschei­den Vaugoins aus dem Heeresressort gesprochen worden. Vaugoin wurde davon unterrichtet, schenkte diesen Gerüchten aber keinen Glauben 246). Als Nachfolger Vaugoins sollte ein General Schönherr genannt worden sein 247). Eine Wehrbund-Delegation, die Vaugoin während seiner Inspek­tionsreise am 18. September in Salzburg wegen der Gerüchte über seine Entfernung aus der Regierung aufgesucht hatte, beruhigte Vaugoin: „Das war schon oft der Fall, daß solche Gerüchte aufgetaucht sind. Die Gerüch­temacher sind gegangen, aber ich bin regelmäßig geblieben“ 248). Zwei Tage später erklärte Vaugoin einer Wehr bund-Abordnung, die in Wien neuerlich vorsprach, daß von einem Ausscheiden seiner Person aus der Regierung keine Rede sein könnte und daß man ihn mit solchen Fragen endlich in Ruhe lassen sollte 249). Am gleichen Tag, dem 20. September abends, eröffnete Dollfuß Vau­goin, daß er als Obmann der Christlichsozialen Partei wegen der Befrei­ung der Regierung von jeglichen Merkmalen des parlamentarischen Systems zurückzutreten hätte 25°), denn nur dann könnte auch der Land­bund 2S1) ausgeschaltet und Fey das Sicherheitsministerium entzogen werden 252). Vaugoin, der wenige Monate vorher noch aus Begeisterung für Dollfuß erklärt hatte: „Jetzt freut es mich erst, an der Spitze des Bundesheeres zu stehen, jetzt bringt mich niemand weg“ 253), kam wider­241) Bericht der christlichsozialen Nachrichtenzentrale über den Parteitag in Salzburg 6. Mai 1933. 242) Ebenda. 243) vgl. dazu die Tageszeitungen vom 12. September 1933. 244) Braun Schmitz 267 f. 245) Ludwig Sendung 115 f und 127 f. 246) Arthur Schiebel Mein Lebenslauf (Manuskript im KA) 65. 24?) Ebenda 57. 248) Arbeiter-Zeitung 19. September 1933. 249) Winkler Diktatur 75. 250) Ludwig Sendung 128. 251) vgl. dazu H u e m e r Hecht 417 ff. 252) Winkler Diktatur 76. 253) Reichspost 5. Mai 1933.

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