Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

STAUDINGER, Anton: Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei in Österreich (1930–33)

374 Anton Staudinger spruchslos — aus „Opferwilligkeit“ und „Pflichtbewußtsein“ 254 255) — der Forderung Dollfuß’ nach. Daß Vaugoin die Christlichsoziale Partei gegen Dollfuß nicht aktivierte, lag nicht nur daran, daß ihn Dollfuß völlig überraschend und ohne ihm die Möglichkeit zur Rücksprache mit der Parteileitung zu geben zum Rücktritt aufgefordert hatte2ä5), sondern vor allem an dem Umstand, daß in der Christlichsozialen Partei die überwiegende Mehrheit wie seiner­zeit Seipel nun Dollfuß vertraute 256), und daran, daß Vaugoin selbst in gleicher Weise die Autorität Dollfuß’ anerkannte 257). Mit der nunmehrigen Führung des Ministeriums für Inneres und Landesverteidigung 258) durch den Bundeskanzler selbst paralysierte Dollfuß die Bestrebungen, die Verfügungsgewalt der Heimwehren auf alle staatlichen Machtmittel auszudehnen, entsprach mit der Ausschaltung der für die weitere Existenz des Landbundes und der Christlichsozialen Partei am stärksten exponierten Minister Winkler und Vaugoin gleich­zeitig den von Mussolini unterstützten Forderungen der Heimwehr auf Ausbau des Regimes im autoritären Sinne 259) und schien nun selbst die unbestrittene Führung in der Regierung innezuhaben 26°). Mit der Bestellung Schönburg-Hartensteins zum Staatssekretär im Landesverteidigungsministerium konnte Dollfuß ebenfalls unterschiedli­chen Interessen gleichzeitig entgegenkommen: da Schönburg seit Mai 1933 der Heimwehr angehörte261), war vermutlich Fey, der zum Vizekanzler avancierte, leichter zum Verzicht auf das Landesverteidigungsministerium zu bewegen gewesen, weiters waren von Schönburg kaum in gleicher 254) Informationsdienst 3 (1933) 22. September. 255) Ludwig Sendung 128. 256) vgi. dazu Notiz Schmitz über die Bundesparteileitungssitzung vom 20. September 1933 (noch vor der Beiziehung Vaugoins zur Regierungsumbil­dung!) in B r a u n Schmitz 267. 257) Siehe dazu z. B. Vaugoin auf dem Parteitag in Salzburg: „... wir Christlichsoziale stehen geschlossen wie ein Mann hinter Dir! ... Heil Dollfuß“; Bericht der christlichsozialen Nachrichtenzentrale 6. Mai 1933. — Siehe auch Ludwig Sendung 128, wonach Vaugoin noch am Tage der Regierungsumbil­dung (20. September) als „Stütze des Bundeskanzlers“ aufgetreten wäre. 258) Zusätzlich übernahm Dollfuß noch das Außen- und Landwirtschafts­ministerium. 259) Die Entfernung der beiden Landbundminister, Winkler und Schumy, hat Mussolini brieflich am 9. September 1933 Dollfuß nahegelegt. Briefwechsel 37; ob aber die Nachricht einer in der Tschechoslowakei erschienenen Zeitschrift zutrifft, daß der italienische Gesandte in Wien auch Vaugoins Ausscheiden ver­langt hätte, ließ sich nicht verifizieren; siehe Die Wahrheit. Wochenschrift für österreichische Politik 15. Oktober 1933. 2®°) Siehe Reichspost 22. September 1933. 261) vgi. österreichische Heimatschutz-Zeitung 6. Mai 1933. — Der in Tiro­ler Heimwehrkreisen August 1933 als Nachfolger Vaugoins genannte General „Schönherr“ scheint mit Generaloberst Schönburg identisch gewesen zu sein; Schönburg hielt sich viel auf seinem Besitz am Aachensee auf.

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