Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)
NECK, Rudolf: Sammelreferat. Zeitgeschichte
Rezensionen 439 eigenen Interessen nützte. Souveräne und Verfassungen halten zwar sonst Überquellendes zusammen: Wer kann jedoch kontrollieren, wie gehorcht wird? Allerdings erfüllt sich auch in einer auf jeden Fall vielfach Leerlauf zeigenden Praxis ein Sinn, zumal A. hier nirgends Eigenverantwortung voraussetzen möchte. „Die Tragödie des Reiches, das im Konzert der großen Mächte als selbständige Kraft nicht existieren konnte“ (S. 502), endete also im Grund, nachdem sie schon längst aus war. Aber da die Geschichte aus verpaßten Gelegenheiten besteht, setzte man an die Stelle eines Phantoms nicht die Wirklichkeit, sondern zwei neue, voll der „Machtstaatsideale“ des verflossenen. Hanns Leo Mikoletzky (Wien) Walter Wagner, Die Geschichte der Akademie der bildenden Künste in Wien. ([Veröffentlichungen der Akademie der bildenden Künste in Wien] Neue Folge 1.) Verlag Brüder Rosenbaum, Wien 1967. 462 S., 33 Abb. Nie gelang für ein „rundes“ Jubiläum dieser hohen Schule der Künste, was nun zum 275. Geburtstag vorliegt: eine fundierte, breit angelegte und wohlausgestattete Geschichte des Hauses, die von den ersten Anfängen des Jahres 1692 bis in die unmittelbare Gegenwart führt. Die schweren Jahre des ersten und zweiten Weltkriegs verhinderten, daß nach der ersten großen Darstellung Karl von Lützows (1877) ein Äquivalent aus späterer Sicht geschaffen wurde. So konnte sich der Vf. kaum auf Vorarbeiten stützen — sein Werk fußt fast zur Gänze auf dem Quellenmaterial des Akademiearchivs. Als langjähriger Betreuer dieser archivalischen Schätze muß er als ihr genauer Kenner gelten, der ohne Zweifel die besten Voraussetzungen für ihre Auswertung besitzt. Wenn W. die nur sporadische Verwendung der Archive der Hofkammer und des Ministeriums für Kultur und Unterricht mit der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit entschuldigt, so festigt sich im Laufe der Lektüre immer mehr der Eindruck von einer unwahrscheinlichen Fülle des Schriftgutes der Akademie, das eine derart geschlossene, nie Lücken spürbar werden lassende Gesamtschau erlaubt. Daß bereits 20 Jahre nach der Gründung der Pariser Académie d’archi- tecture in Wien eine Akademie der Malerei-, Bildhauer-, Fortifikations-, Perspektiv- und Architekturkunst entstehen konnte, ist der Initiative Peter Strudels zu verdanken. Das Verdienst, einer Zersplitterung der verschiedenen Lehr- und Lernzweige in einzelne selbständige Schulen entgegengewirkt zu haben, ist Kaunitz zuzusprechen: der Zusammenschluß (1772) der Strudelschen Akademie mit der Kupferstecher- und der Graveurakademie — 1786 wurde noch die Manufakturzeichenschule eingegliedert — manifestiert nicht zuletzt auch das „barocke Universalitätsstreben“ (S. 355), dem auf dem Gebiet der „ausgeübten“ Kunst das barocke Gesamtkunstwerk der Oper entspricht. Nicht zu unterschätzen ist in der Folgezeit die Rolle, die Metternich als Protektor der Akademie bis 1848 spielte: der Leser lernt ihn als einen um die akademischen Anliegen bemühten Sachverständigen und Förderer kennen. Hatte bis 1848 die vereinigte Akademie auch die Funktion einer beurteilenden Behörde erfüllt, so wurde sie 1849 durch Thun nur als Kunstschule klassifiziert. Die allzu