Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

COONS, Ronald E.: Das Dampfschiff als diplomatisches Mittel: Österreich und die englisch-ostindische Post 1842–1848

Das Dampfschiff als diplomatisches Mittel 155 englischen Regierung, der weiter zu falschen Hoffnungen ermutigte. Eine Merkwürdigkeit der Londoner Verhandlungen war es, daß sich die österreichische und die englische Regierung bei der Ermittlung der gegenseitigen Absichten und Vorschläge sehr stark auf private Einzel­personen verließen. Auf der Seite der Österreicher neigte Baron Neu­mann dazu, sich auf gelegentliche Aussprachen mit Aberdeen und inoffi­zielle Ausforschungen des englischen Standpunktes durch ihm bekannte Zivilbeamte zu beschränken; die regelrechten Kontakte und die ausführ­lichen Verhandlungen mit den Engländern überließ er dem Agenten des Lloyd, Edlmann. Die Engländer benützten andererseits Waghorn als Informationsquelle über die Route durch Österreich. Ihre Wahl ist ver­ständlich, da Waghorns Verbindungen mit der Ostindischen Handelskom­panie sehr eng waren und er wahrscheinlich mehr als irgendjemand sonst über die Indische Post Bescheid wußte. Es kam dem Außenministerium übrigens sehr gelegen, direkte formelle Verhandlungen so lange zu ver­meiden, bis einleitende Erörterungen auf niederer Ebene die meisten Er­folge erzielt hatten. Nichtsdestoweniger war die Wahl Waghorns unklug. Als ehemaliger Schiffsoffizier, Abenteurer und Geschäftsmann verfügte er weder über das für die Diplomatie nötige Temperament, noch über Talent. Edlmann erschien er als „ein eben so energischer als bizarrer Mann“29). Indem er seine Wichtigkeit selbst vergrößerte, verleitete er die österreichische Regierung zu dem Gedanken, daß er allein den Erfolg bringen könnte. „Now is your time to get the India mail to Trieste“, sagte er Edlmann anläßlich ihres ersten Treffens im Juni 1842, „the East India Company, the Government and the press are now all decided, that we must have nothing more to do with France, for we have now all plain proofs, that we are badly served, that our dispatches, notwithstanding all our pre­cautions, are detained, opened, and in every way abused“ 30 *). Waghorn gab dem Eindruck Raum, daß England die Route wählen würde, falls Einigung über Einzelheiten erzielt werden könnte. Die Londoner Regie­rung hatte sich aber, im Gegensatz zu Waghorns Äußerungen, nicht dazu entschlossen, Frankreich aufzugeben. Waghorn führte Edlmann nicht absichtlich irre. Er zog aber aus der Unzufriedenheit der Regierung mit den Franzosen und ihrer Bereitschaft, Vorschläge für eine Route durch Österreich in Erwägung zu ziehen, falsche Schlüsse. Edlmann lernte bald, Bemerkungen Waghorns mit Vorsicht zu behan­deln. Schon im Juni 1842 erkannte er, daß die englische Regierung Wag­horn wegen des Ansehens, dessen er sich in der Handelsgesellschaft 29) Edlmann an Regensdorff, 9. Juni 1842: FA 4644/pp ex 1842. 30) Ebenda. Waghorn beruft sich hier auf private und nicht auf diploma­tische Korrespondenz.

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