Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

GARMS-CORNIDES, Elisabeth: Marginalien des 18. Jahrhunderts zu zwei Biographien des Grafen Karl Firmian

Marginalien des 18. Jhdts. zu zwei Biographien des Grafen Karl Firmian 131 hatte es Konfliktstoff gegeben 7): in der Hoffnung, durch direkten Kon­takt mit den Wiener Zentralbehörden das bedächtige Vorgehen Firmians in der lombardischen Verwaltungsreform zu beschleunigen, ja diese erste Instanz umgehen zu können, hatte sich der Wortführer der jungen Mai­länder Reformergeneration, Pietro Verri, an Kaunitz und Sperges ge­wandt. Den daraus entstehenden Briefwechsel Verris mit Sperges verfolgte Firmian nicht nur mit Mißtrauen, sondern auch auf dem Wege der Zensur, worüber Sperges nicht wenig entrüstet war. Firmian gegenüber recht­fertigte er sein Vorgehen mit der Sorge um das „bene pubblico“8). Kam man in der Frage der Briefzensur bald zu einem versöhnlichen Ausgleich9), so enttäuschte auch die vermittelnde Haltung Sperges’ auf der Wiener Konferenz von 1771 über die Verwaltungsreform in der Lombardei den ungeduldigen Verri so sehr, daß er in Hinkunft nicht mehr Sperges gegen Firmian auszuspielen trachtete 10 il). Bei der Konferenz von 1771 trug der Leiter des Dipartimento d’Italia überdies einen persönlichen Prestigeerfolg davon: um seinem Vertrauens­mann den Vorsitz zu sichern, bewirkte Kaunitz die Erhebung Sperges’ in den Freiherrnstand, sodaß dieser und nicht Firmian präsidierte. Nach diesem kleinen Triumph, oder jedenfalls seit 1771 sei, so betont Pascher, das Verhältnis zwischen Sperges und Firmian eines von „gegenseitiger Hochachtung“ gewesen, „das sich durch die gemeinsamen kulturellen Interessen der beiden Männer immer mehr festigte“ u). Das Wort von der „harmonischen Zusammenarbeit“ finden wir im Zusammenhang mit dem „Dreigestirn Kaunitz-Sperges-Firmian“12) wie auch dort, wo Pa­scher darauf zu sprechen kommt, daß Sperges gegenüber dem immer lang­samer arbeitenden Firmian mehr und mehr in den Vordergrund trat. „Aber Sperges ließ das Firmian nie fühlen, sondern bemühte sich stets um ein gutes Verhältnis zu ihm“ 13). Diese Seelengröße hinderte Sperges 7) Vgl. zum folgenden Pascher Sperges 48 ff mit den dort angeführten Belegen, teils aus der amtlichen Lombardischen Korrespondenz (Haus-, Hof- u. Staatsarchiv Wien Italien Spanischer Rat), teils aus Briefen P. Verris. 8) HHStA Lomb. Korr. 176: 1770 März 8. ») Ebenda: 1770 Oktober 8. 10) Pascher Sperges 60. Neben verschiedenen von Pascher zitierten Stel­len aus Pietro Verris langem Bericht über die Wiener Konferenz an seinen Bruder Alessandro sei vor allem auf folgenden Passus verwiesen: „Sperges aveva tutt’i torti in faccia mia; mi aveva sedotto, stimolato, animato a promover il bene. Affidato al di lui appoggio, avevo affrontato la inimicizia dei parti- giani del disordine. Questi prevalevano, ed egli mi lasciava vittima e ciö colla maggior tranquillitä.“ Pietro e Alessandro Verri Lettere e scritti inediti 4, a cura di Carlo C a s a t i (Milano 1881) 178. 71) Pascher Sperges 61. 12) Pascher Sperges 63. Die Formulierung ist wohl übernommen von Wandruszka Österreich und Italien 67. >3) Pascher Sperges 73—74. 9*

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