Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 20. (1967)

BRETTNER-MESSLER, Horst: Die Balkanpolitik Conrad von Hötzendorfs von seiner Wiederernennung zum Chef des Generalstabes bis zum Oktober-Ultimatum 1913

Die Balkanpolitik Conrad v. Hötzendorfs 205 und aus Angst vor Rußland nicht in der Lage, einen Krieg zu führen. Dann erwähnt der Militärattache ein Gespräch mit dem bulgarischen Ge­sandten in Belgrad Toschew, der auf die großen Differenzen zwischen Bulgarien und Serbien hinwies und schließlich meinte, „ . . . wenn es zum Krieg mit Serbien kommen sollte, würde Bulgarien nicht nur die Bestimmungen des Bundesvertrages durchsetzen, d[as] i[st] Mazedonien bis Monastir gewinnen, sondern noch viel weiter gehen. Dann werde man hoffentlich in der Monarchie nicht ruhig zusehen und das Schicksal Serbiens durch eine Aufteilung für immer besiegeln“47). Am 11. April erhielt Conrad von Berchtold die Nachricht, die serbische Regierung habe ihre Truppen zur Einstellung der Feindseligkeiten aufgefordert48). Doch auch jetzt setzte König Nikita die Belagerung Skutaris weiter fort, da er — wenn auch vergeblich — auf eine weitere Unterstützung durch Rußland hoffte 49). Am darauffolgenden Tag berichtete Hauptmann Hubka wiederum von der Gefahr eines Anschlusses Montenegros an Serbien und der gefährdeten Stellung des Königs 50). Welche Folgerungen Conrad, aus diesen beiden Berichten zog, zeigt sein Schreiben vom 12. April an den Außenminister. Für die Einstellung der Feindseligkeiten durch Ser­bien sei der Gegensatz zu Bulgarien bestimmend gewesen: ein Krieg zwischen diesen beiden Staaten biete der Monarchie die Gelegenheit, das serbisch-montenegrinische Problem endlich zu lösen. Er weist sodann auf die Gefahr einer Vereinigung Serbiens und Montenegros hin und erörtert schließlich die Möglichkeit eines Anschlusses Montenegros an die Monar­chie. Wenn Conrad auch die militärische Niederwerfung Serbiens für die beste Lösung hält, so könne Serbien doch auch durch eine Einkreisung zum Anschluß an Österreich-Ungarn gezwungen werden51). In einer Audienz am 15. April referierte Conrad vor dem Kaiser ausführlich über die politische Lage. Er wies besonders auf das bedrohliche 47) Ebenda: S. 251 f. (Bericht Gellineks vom 6. IV. 1913, Res. Nr. 126, präs. 10. IV. 1913). In A. M. D. III ist dieser Bericht nur auszugsweise wiedergegeben. 48) Ebenda: S. 248. (Brief Berchtolds vom 11. IV. 1913). Weiters Ö.-U. A. VI: n. 6560, n. 6576. Uebersberger: S. 127. 49) Uebersberger: S. 127 f. 50) K. A.: C.-A. Fasz. B 3. (Bericht Hubkas vom 8. IV. 1913, Res. Nr. 169, präs. 12. IV. 1913). In A. M. D. Ill S. 261 wird dieser Bericht nur erwähnt. Hubka berichtet: „In Cetinje sprechen mancherlei äussere Anzeichen dafür (nämlich für einen Anschluß Montenegros an Serbien) und wie die Verhältnisse stehen, darf behauptet werden, dass es nur des letzten Anstosses bedarf um die Union Montenegros mit Serbien zu proklamieren und dieser Anstoss dürfte eventuell die endlich eintretende Entscheidung in der Scutari-Frage geben.“ Hubka ist der Ansicht, daß die Dynastie, wenn sie sich aus ihrer bedrohlichen Lage retten und eine Vereinigung mit Serbien verhindern wolle, sich an Österreich-Ungarn wenden müsse. Auch Giesl wies auf die Gefahr eines serbisch-montenegrini­schen Zusammenschlusses hin. (Ö.-U. A. VI: n. 6479). 51) A. M. D. Ill: S. 249 f. (Brief Conrads vom 12. IV. 1913).

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