Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 20. (1967)

BRETTNER-MESSLER, Horst: Die Balkanpolitik Conrad von Hötzendorfs von seiner Wiederernennung zum Chef des Generalstabes bis zum Oktober-Ultimatum 1913

206 Horst Brettner-Messler Ansteigen der proserbischen Stimmung unter der südslawischen Bevöl­kerung Kroatiens, Dalmatiens, Böhmens und Mährens hin, schilderte ihren verderblichen Einfluß auf die Moral der Truppe und versuchte den Kaiser zu einem raschen Zuschlägen gegen Serbien und Montenegro zu überreden. Conrad führte dabei politische und militärische Argumente ins Treffen52). In einem Schreiben vom gleichen Tag informierte der Generalstabschef den Außenminister über den Verlauf der Audienz5S). Inzwischen häuften sich die Nachrichten von dem sich immer mehr ver­schärfenden serbisch-bulgarischen Gegensatz, und Conrad nahm diese Mel­dungen zum Anlaß, um auch bei Berchtold den Krieg gegen Serbien und Montenegro zu fordern. Ein Eingreifen Englands, Frankreichs und Italiens sei gegenwärtig unwahrscheinlich, Rußland zeige ebenfalls wenig Kriegs­lust, sollte es sich aber dennoch zu einem Eingreifen entschließen, so würde es eben zu dem von Österreich-Ungarn schon lange erwarteten Krieg kommen. Je eher die Entscheidung falle, desto günstiger stünden die Chancen der Monarchie 54). Mittlerweile häuften sich die Nachrichten von der bevorstehenden 62 62) Ebenda: S. 257 f. (Rapport Conrads in Schönbrunn vom 15. IV. 1913). Siehe auch K. A.: Ch. d. Gstbs., Op. B., Fasz. 91. Notizen zum Rapport Conrads in Schönbrunn am 15. IV. 1913: „4) Demonstration und Stimmung in slawischer Bevölkerung anläßlich des Balkankrieges. Rückwirkung auf militärischen Geist — Truppe. Demonstration in Regusa und anderen Städten Dalmatiens, Kroatiens, Böhmens, Mährens. In Böhmen besonders Königgrätz, Jung-Bunzlau, Pardubic, Jaromeric — Inf[anterie] R[e]g[imen]t 18. Antidynastisch, staatsfeindlich, antimilitaristisch, panslawistisch. — In jedem Dorf wird für Serbien gesammelt, Clerus, Lehrer-, Scharfe Maßnahmen nötig. Laxes Vorgehen der Behörden. — ... Maß­regeln gegen serbische Propaganda. Brief Potiorek’s über Stimmung der Reser­visten — liegt bei — ... Resümee: Wenn die Monarchie ihr Ansehen nicht ganz verlieren und ihren südslawi­schen Besitz nicht in Frage stellen will, so muß sie sich zu einer Tat entschlie­ßen. Die fortgesetzten Herausforderungen Serbiens — Boykott etc. — haben das Maß voll gemacht, die Monarchie hat auch moralischen Grund genug endlich hervorzutreten. Ich bin der Ansicht, daß sie diese fortgesetzten Herausforderungen zum Anlass nehmen soll, das Konzert der Mächte zu verlassen und ihre Interessen allein zu verfolgen, d[as] h[eißt] gegen Serbien und Montenegro zu mobili­sieren — und den Krieg durchzuführen .. Neben der Erörterung von militärischen Fragen teilte Conrad dem Monarchen auch die Äußerungen des bulgarischen Gesandten in Belgrad Toschew mit. (Siehe A. M. D. Ill S. 252). 53) A. M. D. Ill: S. 260. (Brief Conrads vom 15. IV. 1913). 54) Ebenda: S. 261 ff. (Brief Conrads vom 18. IV. 1913).

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