Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 20. (1967)

BRETTNER-MESSLER, Horst: Die Balkanpolitik Conrad von Hötzendorfs von seiner Wiederernennung zum Chef des Generalstabes bis zum Oktober-Ultimatum 1913

Die Balkanpolitik Conrad v. Hötzendorfs 181 Franz Joseph nicht allzuviel Sympathie entgegenbrachte 1). Nach langem, zähem Ringen gelang es dem Erzherzog tatsächlich, den Rücktritt Schön­aichs und Auffenbergs Berufung zum Kriegsminister durchzusetzen. Der Preis für dieses Entgegenkommen des Kaisers war die Enthebung Con­rads, die dem Monarchen umso leichter fiel, da er die Außenpolitik Aehrenthals weitestgehend unterstützte und der dauernden Zusammen­stöße zwischen Außenminister und Generalstabschef — dessen Präventiv­kriegspläne er vollständig ablehnte — müde war. Nach seiner Enthebung widmete sich Conrad vorwiegend militäri­schen Angelegenheiten, doch durch den Ausbruch des Balkankrieges wurde sein politisches Interesse wieder geweckt. Diese verstärkte Hinwen­dung zur Außenpolitik wurde Conrad v. Hötzendorf durch den Wechsel im Außenministerium erleichtert, denn nun schien die Gefahr ähnlicher Kontroversen wie in den vergangenen Jahren doch wesentlich geringer. Wahrscheinlich begann man sich jetzt auch der Kassandrarufe des Chefs des Generalstabes zu erinnern, der die Niederwerfung Serbiens unablässig gefordert hatte. Außerdem sei nochmals auf die Tatsache hingewiesen, daß Franz Joseph bereits 1911 starke Einwände gegen die Person Auffenbergs erhoben hatte und sich daher der Wunsch des Monarchen, Auffenberg seines Postens zu entheben, und jener Franz Ferdinands, Conrad wieder aus seiner Versenkung hervorzuholen, relativ leicht ver­wirklichen ließ. Vielleicht mögen auch die chaotischen Zustände im Kundschaftswesen der Monarchie den Thronerben in seinen Bemü­hungen um die Wiederberufüng Conrads bestärkt haben2). Bedenklich war die Betrauung Conrads mit dem Posten des Generalstabschefs, da dessen italienfeindliche Haltung allgemein bekannt war und da dieser Schritt mit der Erneuerung des Dreibundvertrages zusammenfiel 3). Tat­sächlich äußerten Italien und Rußland unmittelbar nach Conrads Ernen­nung zum Chef des Generalstabes schwere Befürchtungen, so daß Berchtold die Regierungen der beiden Länder durch beschwichtigende Telegramme beruhigen mußte4). In Frankreich und Belgien betrachtete man den Postenwechsel als einen Sieg der Kriegspartei, während sich der deutsche *) Brettner-Messler H.: Die Balkanpolitik Conrad v. Hötzendorfs. (Von seiner Wiederernennung zum Chef des Generalstabes bis zum Oktober — Ulti­matum. Dezember 1912 bis Oktober 1913). Diss. Wien 1966. (Nachfolgend zitiert als: Die Balkanpolitik Conrads) S. 4 ff. 2) Der bedenkliche Zustand des Kundschaftswesens geht aus einem Referat Bardolffs an Franz Ferdinand vom 21. X. 1912 hervor. Genaueres siehe Brettner-Messler: Die Balkanpolitik Conrads. S. 21 ff. 3) So genau sich diese Ereignisse, die zu Conrads Enthebung führten in den Quellen verfolgen lassen, im Falle seiner Wiederernennung sind wir weit­gehend auf Vermutungen angewiesen. 4) Brettner-Messler H.: Die Balkanpolitik Conrads. S. 17 f.

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