Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 20. (1967)

BRETTNER-MESSLER, Horst: Die Balkanpolitik Conrad von Hötzendorfs von seiner Wiederernennung zum Chef des Generalstabes bis zum Oktober-Ultimatum 1913

182 Horst Brettner-Messler K&iser über diese Maßnahme sehr befriedigt zeigte5). Erstaunlich zu­rückhaltend zeigte sich dagegen die Belgrader Presse 6). Das größte Rätsel bildet jedoch die Haltung des Generalstabschefs selbst. Klagte er noch am 25. XI. 1912 in einem Brief an Bolfras wie sehr er darunter leide .. in dieser ernsten Zeit abseits gestellt zu sein und die Arbeiten, denen ich durch fünf Jahre vielleicht mit zu viel Insi- stenz oblag in andere Hände gelegt zu sehen ..7), so beteuert er in einem Brief vom 7. XII. 1912 an Bardolff er habe „... schon mehr an die Ruhe der letzten Lebensjahre gedacht . . 8 *). Die Bemühungen des Thronfolgers um die Wiederberufung Conrads könnten nun zu der Schlußfolgerung verleiten, es würde nun eine Zeit vollster Harmonie zwischen dem Erzherzog und dem Chef des General­stabes folgen. Doch genau das Gegenteil war der Fall: das Verhältnis zwischen beiden Männern verschlechterte sich im Laufe des Jahres 1913 derart, daß es schließlich zur fast völligen Entfremdung kam, wobei bereits im Februar 1913 wesentliche Unterschiede in den politischen Ansichten Franz Ferdinands und Conrads zutage traten. Nach einem Bericht des österreichisch-ungarischen Militárattachés in Belgrad Major Gellinek verfaßte der Generalstabschef einen Brief an Berchtold, in wel­chem er die endgültige Niederwerfung Serbiens forderte. Den Bericht des Militärattachös sowie eine Abschrift des Schreibens an Berchtold sandte er auch an den Thronerben. Da jener zu dieser Zeit bereits voll­ständig auf den friedlichen Kurs des Außenministers umgeschwenkt war, ist die äußerst scharfe Stellungnahme auf die Forderungen des Chefs des Generalstabes nicht weiter verwunderlich. In einer eigenhändigen ausführlichen Anmerkung zu den ihm übersandten Schriftstücken geht die völlig entgegengesetzte Haltung des Thronfolgers eindrucksvoll her­vor 8). Die weiteren Stationen des sich immer mehr verschärfenden Kon­fliktes bildeten die Flottengespräche zwischen der Donaumonarchie, Deutschland, und Italien, die Affäre Redl — bei dieser Gelegenheit erwähnte Franz Ferdinand Berchtold gegenüber, er werde Conrad im Herbst seines Postens entheben und die Ereignisse bei den österreichisch­ungarischen Herbstmanövern zeigten, daß diese Äußerungen keine leeren Drohungen waren —, die Einladung zu den deutschen Manövern nach Schweidnitz, die Herbstmanöver der Monarchie und der Zusammenstoß anläßlich der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig10). Diese Vorfälle zeigen, daß Conrad die Unterstützung des Thronfolgers, 5) Ebenda: S. 18. 6) Ebenda: S. 18. 7) Ebenda: S. 16. 8) Ebenda: S. 30 f. 8) Ebenda: S. 30 f. 10) Ebenda: S. 31 ff.

Next

/
Oldalképek
Tartalom